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Eine Stadt, zwei Gesichter

Von Bernhard Lichtenberger, 16. März 2019, 00:04 Uhr
Eine Stadt, zwei Gesichter
Von den durch einen Damm verbundenen vorgelagerten Inseln hat man die beste Sicht auf die Skyline von Panama City. Bild: beli

"Panama ist mehr als ein schöner Kanal", sagt Victor Peretz und führt durch das berüchtigte El Chorrillo. Bernhard Lichtenberger hat den spannenden Kontrast zwischen Armenviertel, Welterbe-Altstadt und Wasserstraße in Panama City erlebt.

Abrupt hält das Auto neben uns. Der Beifahrer blickt uns aus dem heruntergelassenen Fenster streng an. "Ihr seid in der roten Zone", sagt er mit bestimmter Stimme. Den Untertitel zu diesem Satz kann man sich denken: Verschwindet von hier, so schnell wie möglich!

Touristen, die sich in das Viertel El Chorrillo verirrten, wäre angeraten, die gut gemeinte Warnung nicht in den Wind zu schlagen. Doch Victor Peretz tut genau das. "Ich bin von hier", sagt er dem Beifahrer und winkt zum Weiterfahren. Wer sich an die Fersen des 28-Jährigen heftet, ist in der übel beleumundeten Gegend auf der sicheren Seite. Der Panamaer führt in einer mehrstündigen Tour durch einen Flecken der Stadt, der einst der gefährlichste war. Eine Straße trägt den bezeichnenden Namen Salsipuedes: Raus mit dir, wenn du es schaffst! "Früher", sagt Victor, "konnte man sich mit einer Kamera hier nicht sehen lassen, nicht einmal als Einheimischer."

Eine Stadt, zwei Gesichter
Bunte Armut im übel beleumundeten Viertel El Chorrillo. Bild: beli

Was bedeutet 20-12-89?

Die Route hat der Guide gewählt, um ein anderes Gesicht der City zu zeigen. Jenes, das nicht die Steueroase mit einer sagenhaften Wolkenkratzerdichte oder die technische und ökonomische Strahlkraft des Panamakanals spiegelt. In den Gassen von El Chorrillo lässt sich der Wohlstand nicht blicken. Von den bunten Fassaden bröckelt der Verputz. Im rot-weiß getünchten Haus, das einst Theater war, haben Wohnungssuchende Unterschlupf gefunden. An rostigen Balkongittern hängt Wäsche zum Trocknen. Von einem der wirr verlaufenden Stromkabel baumelt ein Paar Turnschuhe – ein Zeichen, dass hier eine Bande das Drogengeschäft kontrolliert. Graffiti sind allgegenwärtig. An vielen Wänden fällt eine Zahlengruppe auf: 20-12-89. Ein Datum.

Am 20. Dezember 1989 begann die US-Invasion in Panama. Kurz nach Mitternacht attackierten amerikanische Truppen das Land. El Chorrillo, in dem sich Diktator Manuel Ortegas Hauptquartier befand, ging teilweise in Flammen auf. Noriega, der auf der Gehaltsliste der CIA stand, stellte sich nach zehn Tagen den Streitkräften. Er wurde später wegen Drogenhandels zu 40 Jahren Gefängnis verurteilt und starb 2017 in Panama City.

Spuren des militärischen Überfalls sind noch heute zu entdecken. Nicht alles Zerstörte wurde wieder aufgebaut. "Wie viele starben 1989?" steht auf einer Mauer. Die kursierenden Antworten schwanken zwischen 500 und 3000 Panamaern, die ihr Leben verloren haben.

Eine Stadt, zwei Gesichter
Straßenschneider mit einer Nähmaschine, die älter ist als er Bild: beli

Victor nimmt uns mit in die Polizeistation des Viertels. Mit polierten Schuhen und einem einladenden Lächeln bittet der Polizeichef herein. Im hinteren Teil hat Victor seit eineinhalb Jahren ein Projekt laufen, das Kinder von der Straße holen will. An Wochenenden treffen sich hier 6- bis 12-Jährige, um zu spielen, zu lernen, um kreativ zu sein.

Die Bewohner von El Chorrillo sind nicht auf die Butterseite des Lebens gefallen. Ihre kleinen Freuden vermag dies nicht zu vergällen. An der Ecke eines Parks vergnügen sich Männer beim Domino-Spiel. Das lautstarke Krähen, das aus einem windschiefen hölzernen Haus dringt, weist auf eine Arena für Hahnenkämpfe hin, die in Panama nicht verboten sind. Nur ein paar Schritte von der Stelle, an der wir vor der "roten Zone" gewarnt wurden, spricht uns ein schmerbäuchiger Herr freundlich an: "Woher kommt ihr? Willkommen in meinem Land!"

Eine Stadt, zwei Gesichter
Nur einen Steinwurf von El Chorrillo entfernt strahlen die renovierten Kolonialbauten der Altstadt. Bild: beli

Keineswegs arm ist der gern gemiedene Ort an sportlichen Größen. Wir berühren die Seile jenes Ringes, in dem Roberto Duran die Fäuste stählte, mit denen er sich zu Weltmeistertiteln in vier Gewichtsklassen boxte. Stolz schwingt in der Stimme mit, wenn davon erzählt wird, dass sieben Fußballer aus El Chorrillo im Team Panamas standen, das 2018 zum ersten Mal an einer WM-Endrunde teilgenommen hat. Nach wie vor verehrt wird Rommel Fernández Gutiérrez, der sich aus dem Slum in die erst spanische Liga kickte – und 1993 bei einem Autounfall auf Teneriffa umkam.

Nahtlos geht das andere Gesicht der City in ihr behübschtes über, da El Chorrillo lediglich einen Steinwurf von Casco Viejo entfernt liegt. In dem auf einer Halbinsel gelegenen Altstadtviertel tummeln sich die Touristen. Ein guter Teil der kolonialen Architektur strahlt in runderneuertem Glanz, dazwischen harren einige Gebäude noch ihrer Renovierung. Restaurants und Geschäfte begleiten die gepflasterten Gassen, Rooftop-Bars laden zum Cocktail-Genuss. Es lohnt ein Blick in die Kirche San José. Sie birgt den Goldenen Altar, der 1671 der Plünderung durch Henry Morgan und seine Piratenbande nur deshalb entgangen ist, weil ihn die Mönche schwarz bemalten, um ihn wertlos erscheinen zu lassen.

Der "schöne Kanal"

Beim Flanieren kommt man ins Sinnieren, das wiederum einen Satz aus Victors Mund in Erinnerung ruft: "Panama ist mehr als ein schöner Kanal." Da hat er schon Recht, der gute Victor. Den schönen Kanal darf man trotzdem nicht missen. Auf 82 Kilometern Länge zerschneidet dieses 1914 eröffnete Meisterwerk der Technik den amerikanischen Kontinent und verbindet Atlantik und Pazifik. Von den Miraflores-Schleusen mit Besucherzentrum und Museum kann man den Schiffen beim Kommen und Gehen zusehen – wenn man den richtigen Zeitpunkt erwischt. Die künstliche Wasserstraße ist nämlich so schmal, dass sie jeweils nur in eine Richtung befahren werden kann: von vier Uhr früh bis mittags gen Norden, von mittags bis 20 Uhr gen Süden. In den restlichen Nachtstunden dürfen kleinere Boote hin und her huschen.

Eine Stadt, zwei Gesichter
Wenn es etwas zu feiern gibt, zeigen sich die Frauen in der Nationaltracht, der Pollera. Bild: beli

Intensiver gestaltet sich das Erlebnis auf dem Ausflugsboot "Isla Morada", das für die Canal & Bay Tours zwischen Gamboa, wo der Chagres-Fluss in den Kanal mündet, und dem Pazifik-Ausgang schippert. In den Planken des 107 Jahre alten Bootes hat sich Historie eingelagert. Einst gehörte es dem berühmt-berüchtigten Gangster Al Capone, der damit während der Prohibition Rum und Whisky aus Kuba und der Dominikanischen Republik in die USA schmuggelte. Die fünfstündige Kanaltour mit drei Schleusen-Absenkungen nutzt Reiseleiter Juan Carlos, um die auch kulinarisch umsorgten Passagiere mit Wissen zu fluten. Damit auch nicht vergessen wird, dass ein Drittel der mehr als 60.000, die den Kanal vor mehr als einem Jahrhundert schufen, ihre Arbeit mit dem Leben bezahlten.

 

Infos zu Victors "El Chorrillo Experience" unter pty.life/tours

 

Natur & Moderne

„Costa Rica & Panama City. Natur & Moderne in Mittelamerika“: Unter diesem Titel bietet Raiffeisen-Reisen an zwei Terminen (15. bis 26. November 2019, 31. Jänner bis 11. Februar 2020) eine Reise mit Schwerpunkt Costa Rica und drei Tagen in Panama City an. Auf dem Programm stehen u.a. die Hauptstadt San José, eine Gondelfahrt im Regenwald, Schokoladen- und Kaffeeführungen, Thermalbad, Bootsfahrt auf dem Arenal-See, Wanderungen auf den Hängebrücken im Mistico Park und in Naturreservaten und Nationalparks.

In Panama City stehen eine historische Tour, der Besuch der Miraflores-Schleusen am berühmten Panama-Kanal und ein Kanu-Ausflug zu einer indigenen Gemeinschaft an. 2790 Euro pro Person im DZ, inkl. KLM-Flug ab/bis Wien, Eintrittsgebühren, Bus, Hotels, deutschsprachige Reiseleitung.

Information & Buchung: ÖAMTC Reisen in Linz (Wankmüllerhofstr. 60, Tel. 0732 / 34 12 75, reisebuero.linz@
oeamtc.at) und Perg (Hauptplatz 11, Tel. 07262 / 584 37, reisebuero.perg@oeamtc.at)

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