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Der alte Adel und seine Verantwortung

Von Klaus Buttinger, 22. September 2012, 00:04 Uhr
Der alte Adel und seine Verantwortung
Historikerin Gudula Walterskirchen brach das Schweigen über den Adel.

Wie geht es dem ehemaligen Adel in Österreich? Wie spinnt er seine Netzwerke? Wovon lebt er? Ein Gespräch mit einer Insiderin.

Als die frisch gebackene Historikerin mit ihrem Dissertationsthema „Der Adel in Österrich“ vor gut zehn Jahren einen Doktorvater suchte, wurde sie wie eine heiße Kartoffel herumgereicht. Historikerin und Publizistin Gudula Walterskirchen, quasi per Heirat geadelt, verbreitete ihr Insiderwissen dann per Buch („Der verborgene Stand. Adel in Österreich heute“, Amalthea-Verlag, 22,90 Euro). Ende September spricht die Niederösterreicherin bei den Braunauer Zeitgeschichte-Tagen.

Wie viele Leute, die man früher als Adelige bezeichnet hätte, leben in Österreich?
Gudula Walterskirchen: In meiner Erhebung habe ich mich auf den sogenannten früheren Hochadel konzentriert, das heißt die ehemals gräflichen und fürstlichen Häuser. Da bin ich auf eine Anzahl von rund 18.000 Personen gekommen. Wenn man den sogenannten niederen Adel, also Barone, Ritter, einfache vons dazuzählt, kommt man auf grob geschätzt dreimal mehr.

Ist der ehemalige Adel Österreichs als Gruppe fassbar, existiert ein gemeinsames Netzwerk?
Eindeutig. Es ist ein von außen unsichtbares Netzwerk. Da läuft sehr viel über familiäre Kontakte, da in der relativ kleinen Gruppe viele verwandtschaftliche Beziehungen bestehen. Die werden auch genützt.

Inwieweit hat die „Vereinigung der Edelleute“, die 2006 geschaffen und anfänglich vom Innenministerium bekämpft wurde, heute eine Bedeutung?
Das war eine überraschende Neugründung, eine Initiative von einigen jungen Adeligen, aber soweit ich das verfolgt habe, ist es bei der kleinen Gruppe geblieben. Sie hat nicht mehr die Bedeutung erlangt, wie sie noch in den 1930er-Jahren bestanden hatte.

Gibt es eine adelige Leitfamilie in Österreich?
Nein, die gibt es nicht mehr. Hier merkt man doch den Wegfall der Habsburger. Es gibt keine Familie, die diesen Platz einnehmen würde.

Worin liegt die Bedeutung des ehemaligen Adels heute in Österreich? In der Politik, der Wirtschaft, anderswo?
Es gibt da eine interessante Tendenz. Vor zehn Jahren war der Adel in der Wirtschaft, vor allem im Bankensektor auffallend präsent – neben traditionellen Kulminationspunkten wie etwa der Diplomatie. Aber in den vergangenen Jahren fand ein Rückzug aus der Bankenwelt statt; natürlich auch durch die Übernahme der CA durch die Bank Austria. Das hat auch mit dem Image der Banken zu tun. Ähnliches zeigt sich auch in der Politik. Vor einigen Jahren saß noch ein Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Anm.) ganz selbstverständlich im Parlament. Im Bundesrat gab es immer ein paar Adelige. Heute gibt es in der Bundes- und der Landespolitik keinen einzigen Adeligen mehr, was auch mit dem Image der Politik zusammenhängt.

Wohin hat sich denn der Adel zurückgezogen?
Ich beobachte, dass sich vor allem die jüngere Generation ganz stark auf die Selbstständigkeit konzentriert – in den unterschiedlichsten Berufen: vom Architekten bis zum Zahnarzt.

Wie sieht’s in der Landwirtschaft aus?
Das ist ein konstanter traditioneller Sektor, der perfekt auf den Adel passt. Da bewegt sich kaum etwas. Wer ein Gut hat, bleibt auf seinem Gut und wird immer Nachfolger dafür haben.

Nach der Adelsaufhebung 1919 ist das Führen von Adelstiteln in Österreich verboten. Immer wieder wird gegen dieses Verbot – auch in den Medien – verstoßen. Hat das – oder kann das Folgen haben?
Was die Medien betrifft, ist mir Folgendes aufgefallen: Wenn Adelstitel ungefragt verwendet werden, dann fast ausschließlich im negativen Sinn. Beispiel Causa Mensdorf-Pouilly, Graf Ali. Das ist auch für die Familie, die nichts dafür kann, extrem unangenehm, solcherart hervorgehoben zu werden. Sie wird damit quasi unter Sippenhaft gestellt. Andererseits wird, wenn einer Karriere macht, kaum apostrophiert, dass er ein Angehöriger einer ehemaligen adeligen Familie ist. Abgesehen von gesellschaftlichen Magazinen, von bunten Blättern – aber das ist ein eigener Wirtschaftszweig.

Von Fürstin Fanny Starhemberg ist der Satz überliefert: „Uns macht die Aufhebung des Adels nichts, wir bleiben mit oder ohne den Titel immer die Starhembergs.“ Richtig?
Da hat sie sicher recht. Wenn sie sich zum Beispiel den Karol Schwarzenberg anschauen, dem ist es völlig Wurst, ob ihn die Tschechen als ihren Fürsten sehen oder nicht. Der hat ein Selbstbewusstsein, eine Identität und ein Standing. Hart getroffen hat das Adelsverbot bis zum heutigen Tage diejenigen, deren Vorfahre beispielsweise zum Ritter von Wiesner geadelt wurde. Wenn man dann nur noch Wiesner heißt, ist das natürlich bitter.

Was denken Sie, wenn offensichtlich von Anhängern der Monarchie gefordert wird, die Kennedy-Brücke in Wien in Habsburg-Brücke umzubenennen?
Ich würde vielleicht nicht gerade die Kennedy-Brücke nehmen, da gäbe es bessere Beispiele, etwa Plätze, die immer noch nach marxistischen Ideologen benannt sind.

Wie stehen sie generell zur konstitutionellen Monarchie?
Sie wäre für ein vielschichtiges Volk mit unterschiedlichen, kleinen nationalistischen Interessen kein schlechtes, einigendes Band. Die Person muss das aber auch ausfüllen. Beim Otto Habsburg hätte ich mir das wundervoll vorstellen können, einfach kraft seiner beeindruckenden Person. Das Problem – auch der wirklich überzeugten Monarchisten – ist vielfach Karl Habsburg. Das ist eine Person, mit der die Menschen schwer von der Monarchie zu überzeugen wären, weil er die Rolle nicht so ausfüllen könnte wie sein Vater. Grundsätzlich würde die konstitutionelle Monarchie Österreich nicht schaden, vielleicht auch nicht nützen, wir hätten zumindest einen Glamour-Faktor, wenngleich keine Chance auf Umsetzung besteht.

Inwieweit spielt der Klassenerhalt eine Rolle, sprich, man heiratet – wenn möglich – nur innerhalb der Ex-Aristokratie?
Es gibt eine Tendenz, dass der Grund besitzende Adel tendenziell wieder Männer oder Frauen aus alten Familien heiratet. Jemand, der aus historischen Wechselfällen begründet einen bürgerlichen Beruf ausübt, fällt oft seine Partnerwahl anders. Nicht immer. Es gibt Bestrebungen unter sich zu bleiben. Da fällt dann jemand, der bürgerlich heiratet, aus dem Netzwerk. Auf der anderen Seite gibt es einen immer größer werdenden Bereich von gemischten Beziehungen, oft schon in dritter Generation. Auch in diesen Fällen werden Identität und alte Werte hochgehalten.

Und die wären?
Anstand, Höflichkeit, Ehrlichkeit ...

... und Solidarität?
Ja, absolut – auch. Das sind alles christliche Grundwerte, die wieder modern werden und auch in der Geschäftswelt wieder an Bedeutung gewinnen.

Was denken Sie über die von der Yellow Press geschürte Aufregung um Nacktfotos einer englischen Herzogin?
In Österreich gibt’s diesbezüglich wenig Material (lacht). Im Ernst: Solche Geschichten haben mit der Lebensrealität normaler adeliger Familien in Österreich gar nichts zu tun. Da handelt es sich um exponierte Persönlichkeiten, Einzelfälle aus einer anderen Welt.

Zeitgeschichtetage

„Adel verpflichtet – die Verantwortung des Adels einst und jetzt “, lautet das Thema der 21. Braunauer Zeitgeschichte-Tage im Gugg von 28. bis 30. September. Am Samstag spricht Historikerin Gudula Walterskirchen über die Frage: „Adel in Monarchie und Republik – von einer Elite zu Verfemten? (9 Uhr). Danach führt Botschafter Ferdinand Trauttmansdorff in die Netzwerke des Adels ein. Am Abend (ab 20 Uhr) geht es um Adelige in der NS-Zeit.

Am Samstag steht die Frage „Wozu verpflichtet Adel?“ auf dem Programm.

Nähere Informationen: www.hrb.at/bzt/
 

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1  Kommentar
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( Kommentare)
am 22.09.2012 21:51

Das Problem – auch der wirklich überzeugten Monarchisten – ist vielfach Karl Habsburg. Das ist eine Person, mit der die Menschen schwer von der Monarchie zu überzeugen wären, weil er die Rolle nicht so ausfüllen könnte wie sein Vater.

---------

Ein lieber, umgänglicher Kerl, um Etikette bemüht, aber das wars dann schon.

Ab 1981 lebt Karl Habsburg in Salzburg, wo er begann Rechtswissenschaften an der Paris-Lodron-Universität Salzburg zu studieren, 1983 zusätzlich in Spanisch und Politikwissenschaften. Das rechtswissenschaftliche Studium brach Habsburg-Lothringen 1993 ohne Abschluss ab und nahm stattdessen ein studium irregulare auf, das Elemente der Alten Geschichte mit rechtswissenschaftlichen Aspekten kombinierte.

Besonders eilig hat er es ja nicht mit dem Studiern, bei seinen unzähligen Gschäftln und Amterl.

Aber durchaus ein klasser Bursch.

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