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"Einzigartiges, zeitloses, revolutionäres Dokument"

Von Clemens Schuhmann, 07. Dezember 2018, 00:04 Uhr
"Einzigartiges, zeitloses, revolutionäres Dokument"
Im Palais de Chaillot in Paris wurde am 10. Dezember 1948 die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ verkündet Bild: dpa

LINZ. Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty Österreich, zum 70. Geburtstag der Menschenrechts-Deklaration.

"Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren." Das ist der zentrale Satz in der "Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte", die am Montag 70 Jahre alt wird. Für Heinz Patzelt, den Generalsekretär von Amnesty Österreich, ist dieses Papier "definitiv eine Erfolgsgeschichte". Das Feiern falle ihm aber nicht leicht, da derzeit "Menschenrechte massiv in Frage gestellt werden – und das zunehmend in jenen Teilen der Welt, in denen Menschenrechte bisher ein unbestrittenes Thema waren".

 

Am 10. Dezember wird die "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" 70 Jahre alt. Ist das ein Grund zum Feiern?

Heinz Patzelt: Die "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" in ihrer schlichten, kurzen Klarheit ist definitiv eine Erfolgsgeschichte. Das ist ein zeitloses, einzigartiges und revolutionäres Dokument. Es gibt natürlich wie bei jedem 70-Jährigem Höhen und Tiefen. Es fällt etwa das Feiern nicht leicht, wenn Menschenrechte massiv in Frage gestellt werden – und das zunehmend sogar in jenen Teilen der Welt, in denen Menschenrechte bisher ein unbestrittenes Thema waren. Aber das ist ein Grund mehr, sich ordentlich ins Zeug zu legen.

Wenn Sie die Jahre Revue passieren lassen: Ist für einen Menschenrechtler das Glas halb voll oder halb leer?

Das Glas ist sehr viel mehr als halb voll. Natürlich versuchen immer wieder Leute, das Glas auszuschütten – das ist aber bisher niemandem gelungen.

Die Selbstverständlichkeit der Menschenrechte kommt von verschiedenen Seiten unter Druck – von den Erdogans, Trumps und Orbáns dieser Welt. Warum jetzt, was läuft da schief? Ist die Flüchtlingskrise 2015 der Grund?

Die Flüchtlingskrise war nur ein Auslöser. Ich nehme Österreich als Beispiel für Europa und wohl auch andere Länder: Wenn die Politik einer Regierung nur noch darin besteht, im besten Fall den Ist-Zustand zu verwalten, nicht anzuecken und möglichst unauffällig bei den nächsten Wahlen wieder an die Futtertröge zu gelangen, dann geht das nie dauerhaft gut. Politischen Stillstand nehmen die Menschen nicht hin. Wenn dann eine Herausforderung auf dem Tisch liegt, die sehr gutes politisches Management gebraucht hätte – wie eben die Flüchtlingskrise 2015 –, dann ist diese Fähigkeit längst verkümmert. Solche Regierungen werden in Demokratien zu Recht abgewählt. Das Problem: Die einfachen, schnellen populistischen Parolen fallen derzeit auf fruchtbaren Boden. Und nicht die besseren, zukunftsweisenden Konzepte.

Häufig heißt es, für ein Mehr an Sicherheit müsse man Menschenrechte zurückstellen – sichtbar wurde das etwa nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Schließen Sicherheit und Menschenrechte einander aus?

Im Gegenteil: Sicherheit und Menschenrechte bedingen einander. Ein sicheres Leben ist ein zentrales Menschenrecht. Es ist eine der wichtigsten Pflichten einer Regierung, die Menschen auf ihrem Staatsgebiet vor Angriffen, Mord, Terror zu schützen. Es ist dumm zu glauben, dass ich Sicherheit durch ein Aushöhlen, Unterdrücken oder Einschränken von Menschenrechten erreichen kann. Das wird so nie funktionieren. Häufig entlarvt sich dieser künstlich erzeugte Konflikt zwischen Sicherheit und Menschenrechten als Versuch, den eigenen Machterhalt zu sichern. Menschenrechte sind tatsächlich eine Gefahr für jene Menschen, die glauben, dass sie einmal erworbene Macht dauerhaft zur Verfügung haben werden. Dabei ist doch klar: Politische Macht ist immer nur geliehen. Klar ist aber natürlich auch: Terrorgefahr darf nicht verharmlost werden. Ich bekenne mich dazu, dass wir eine ermittlungsfähige Polizei brauchen. Im Zweifel wird es auch nicht ohne Geheimdienste gehen. Aber nicht ohne nachgeordnete Kontrolle.

Mit welcher Art von Menschenrechtsverletzungen haben wir es eigentlich in Österreich zu tun?

Als allererstes mit politischer Idiotie: Wenn ich schon mehr Flüchtlinge im Land habe, als wir normalerweise hatten, und ich genau weiß, dass ich diese Menschen unter halbwegs akzeptablen Bedingungen auch nicht mehr loswerden kann – und ich nicht alles daran setze, diese Menschen so rasch wie möglich in unser österreichisches Denken, Handeln, Fühlen und in unser Demokratieverständnis zu integrieren, handle ich menschenunwürdig und vor allem sehr dumm und nicht zielführend. Ich kann nicht hingehen und sagen, ich fahre die soziale Unterstützung dramatisch zurück und erschwere zugleich Spracherwerb und Arbeitsintegration. Das ist ökonomischer und sozialer Unsinn. Und man schürt damit Konflikte, die keinem etwas bringen. Was hat die FPÖ langfristig davon, wenn sie sozialen Unfrieden erzeugt?

Jüngst gab es eine Debatte über ein Asyl-Lager in Niederösterreich, wo unbegleitete Jugendliche quasi eingesperrt waren. Der zuständige Landesrat sagte, Stacheldraht und Security seien zum Schutz der Jugendlichen gewesen. Das erinnert frappant an den "Antifaschistischen Schutzwall", wie die DDR-Oberen damals die Berliner Mauer fälschlicherweise nannten. Wie beurteilen Sie die Causa Drasenhofen?

Das war eine skandalöse Menschenrechtsverletzung! Die Frage ist: Warum macht jemand so etwas? Natürlich ging es hier wieder einmal um das Verschieben von Grenzen. Da wurde eine Widerwärtigkeit inszeniert – und es wurde eine bestimmte Haltung von Menschenfeindlichkeit wieder ein Stückchen salonfähiger gemacht.

Jetzt gibt ja viele Menschen, die sagen: Die Politik macht ohnehin, was sie will – es bringt daher nichts, sich für Menschenrechte einzusetzen. Was kann denn der Einzelne tatsächlich tun?

Ich habe diese Argumentation schon oft gehört. Wenn es Menschen sehr gut geht und der Schrebergarten gut bestellt ist, dann ist die Lust, sich zu engagieren, endenwollend. Das nimmt jedoch dramatisch ab. Es bringt sehr wohl etwas, wenn man sich selbst engagiert. Und das passiert auch wieder vermehrt. Den Ausruf "Das bringt eh nichts" habe ich in den vergangenen zwei, drei Jahren nicht mehr gehört. Wir erleben derzeit ganz viel Interesse, um mitzumachen und eigene Themen einzubringen. Das nehme ich mit großer Freude und positiver Überraschung zur Kenntnis. Ich beobachte eine Repolitisierung einer Bevölkerung, die lange Zeit passiv war – statt des sattsam gewohnten "passt eh" hören wir immer öfter ein "so nicht".

Menschenrechts-Charta

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte – „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“ – wurde am 10. Dezember 1948 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen in Paris verkündet – mit 48 Ja-Stimmen, null Gegenstimmen und acht Enthaltungen (u.a. die Sowjetunion, Tschechoslowakei, Saudi-Arabien und Südafrika). Die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ ist keine verbindliche Rechtsquelle des Völkerrechts. Als solche ist sie daher nicht justiziabel, nicht einklagbar.

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1  Kommentar
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zein (26 Kommentare)
am 13.12.2018 08:04

Die Zustände in Drasenhofen waren natürlich untragbar. Wer sich aber von einem einzelnen Haus, umgeben mit einem Baustellengitter mit einer Reihe Stacheldraht "frappant" an die Berliner Mauer erinnert fühlt, sollte vielleicht noch einmal nachdenken. Zum Beispiel darüber, wieviele Menschen dort getötet wurden und dass von den ostdeutschen Kommunisten und ihren Brüdern Millionen Menschen jahrzentelang ihrer Menschenrechte beraubt wurden!

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