Wenn die Tischgesellschaft Polonaise tanzt
Theater Phönix: Krachbunte Premiere von Josef Maria Krasanovskys "jedermann/leben. sterben. schwerkraft"
Sympathie wird meist ohne rationales Fundament verteilt. Das ist etwas, das zupackt und nicht mehr loslässt. So wirkt Josef Maria Krasanovskys Theater-Panoptikum. Am Donnerstag hatte seine Jedermann-Collage "leben. sterben. schwerkraft." nach Hugo von Hofmannsthal im Linzer Theater Phönix Premiere, und je später der Abend, desto schöner die Gedanken, die um die krachbunte Revue vom Leben und Sterben reicher Menschen und tanzender Frösche kreisen. Krasanovsky hat dem Stoff die Katholiken-Propaganda herausgeschnitten und neue Text-Fleckchen aufgenäht. Diesen bezaubernden Spaß pflastert er mit irren Allegorien (Sterne, Äpfel, Stiere, Indianer, Schwarzer Peter, Schwarze Petra...) zu einem Highway der Absurdität, auf dem die Tischgesellschaft Polonaise tanzt. Die Mammon-Szene gerät zum glitzernden Monster-Rap, der Monolog über die Überlebenstechnik der Seegurke (Marion Reiser) oder der mit herziger Traurigkeit geweinte Bambis-Hit "Melancholie" (Felix Rank) sind zwei weitere Seitenstraßen bei der Fragerallye, was nach dem Tod mit der Seele geschieht.
Vom insgesamt blendenden Ensemble (Adrian Hildebrandt, Markus Hamele, Nadine Breitfuß, Claudia Carus, Gernot Pfiff, Anna Maria Eder) angestiftet, bäumt sich ein eineinhalbstündiges Agoniefieber auf, in dem man gerne schwitzt, lacht und grübelt. Was der Mensch nicht zu leisten imstande ist, muss der wertoptimierte Tote schaffen, nachdem seine Asche zu Diamanten gepresst wurde. Auf der prächtigen Bühne im Beton-Look prangt ein riesiges Kreuz. Es droht in einem fort, dass wir ohne Götzen nicht auskommen. Und doch ist auf keinen Götzen so Verlass wie auf den Tod. Er trifft Maifliegen und Galaxien. Bilden wir uns auf das Einzelschicksal nichts ein, es ist universell.
Fazit: Ein vor Lust und Absurdem schreiender Abend über die Vergänglichkeit, von einem mitreißenden Ensemble famos angeheizt.
"jedermann/leben. sterben. schwerkraft." nach H. v. Hofmannsthal von J. M. Krasanovsky, Premiere: 20. 9., Theater Phönix, Termine bis 28. 10., www.theater-phönix.at