Sehnsucht nach Seeleiten
Ideal und Illusion: Der Heimat kann man sich nie ganz sicher sein
Bei der Präsentation des Buches "Seeleiten. Meine gräflichen Jahre" von Lore Bertsch im Juli in Seeleiten blieb kein Sitzplatz frei. Die verwitwete Gräfin von Zeppelin beschreibt ihre Jahre auf dem Gut nahe Moosdorf zwischen 1943 und 1947.
Die Veröffentlichung im Innsalz-Verlag (Munderfing) besorgte jetzt ihre Tochter Angelika Bohrmann. Der 193 Seiten umfassende Text ist literarisch mittelmäßig und politisch diskutabel. Die Befreiung Österreichs vom Nazi-Terror als "Zusammenbruch" zu bezeichnen, ist die Wortwahl der Fünfzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts; unkommentiert sollte man sie heute nicht lassen. Fragwürdig ist auch, US-Soldaten als "Befreier" stets in Anführungszeichen zu setzen und Mitleid für flüchtende SS-Schergen zu heischen.
Doch das ist nicht der Kern der Erzählung. Es geht eigentlich um die Menschen am Rand des Moores, um Mythen, Sehnsüchte, große Gefühle. Der Bericht kreist ständig um den Begriff "Heimat". Damit ist er, ungeachtet aller Zeitbezüge, zeitlos.
"Heimat ist immer etwas Verlorenes, eine Sehnsucht, die sich nie erfüllen lässt", sagte einmal der deutsche Regisseur Edgar Reitz, der dem Thema eine viel beachtete Filmreihe gewidmet hat. Das echte Heimatgefühl verkitscht, verklärt oder verfälscht nichts. Es bekennt sich zu einer Verbundenheit, die schön und schmerzhaft sein kann. Ideal und Illusion sind nah beieinander.
Über diese Zusammenhänge nachzudenken, lohnt sich – zum Beispiel bei Most und Speck auf der Terrasse der Jausenstation Peer in Seeleiten, die weiten Wiesen und den stillen See im Blick. Unterseeleiten, Oberseeleiten, Dorfibm, Moosdorf, Geretsberg, Eggelsberg usw.: Ein herrliches Theater des Wirklichen, wie man es im Innviertel zum Glück oft finden kann.