Die Regiekunst des Langsamen
Die nordische Ski-WM in Seefeld (20.2. bis 3.3.) und der enorme mediale Aufwand.
Steilhang, Mausefalle, Hausbergkante – es ist erst ein paar Wochen aus, da hat Michael Kögler in Kitzbühel wieder einmal zeigen können, was er alles zeigen kann. Ab kommendem Mittwoch bremst der Regiemeister des ORF bei der Weltmeisterschaft der Nordischen im Tiroler Seefeld tempomäßig ordentlich herunter.
Was der Laie gleich einmal wissen will: Wie überträgt man einen 50-Kilometer-Langlaufbewerb so aufregend, dass der potenzielle Seher nicht wegzappt? Kryptische Antwort: "Jede Sportart hat ihr Spezifikum. Kitz geht von Natur aus viel schneller, beim Langlauf geht es darum, das weniger Schnelle interessant einzufangen", sagt Kögler. Und wie? "Du musst immer die Geschichte erzählen, die Emotionen zeigen." Seit einem Jahr bereitet sich der Wiener auf das TV-Ereignis penibel vor, hat sich für jede seiner 75 Kameras für die Langlaufbewerbe etwas ausgedacht, was Position und Schnittmöglichkeiten betrifft.
ÖSV trägt finanzielles Risiko
60 Millionen Euro wurden in die Infrastruktur der WM-Gemeinde Seefeld investiert, der Bahnhof generalsaniert. Das finanzielle Risiko dieser Weltmeisterschaft der Skispringer, Langläufer und nordischen Kombinierer trägt aber – und das zur Gänze – der Österreichische Skiverband. Bei rund 140.000 verkauften Karten bisher ein überschaubares Risiko.
Die Übertragungsrechte der Meisterschaften hat sich übrigens der Medienriese "Infront" eines Chinesen namens Wanda gesichert. Infront hat den ORF mit der leitenden Übertragung der WM beauftragt. "Deshalb haben wir die Übertragungsrechte vergleichsweise günstig bekommen", sagt ORF-Sportchef Hans Peter Trost. Die reinen Produktionskosten belaufen sich laut Trost auf "unter einer Million Euro". Bei den Skisprung-Bewerben in Seefeld (Normalschanze) und Innsbruck trägt Werner Mitterer die Verantwortung über den Einsatz von 24 bzw. 27 Kameras. Die Bewerbe werden von Michael Roscher (Skisprung) sowie Johannes Hahn und Toni Oberndorfer (Langlauf und Kombination) kommentiert.
Regisseur Michael Kögler überlässt jedenfalls nichts dem Zufall, denn: aus Erfahrung wird man klug. Im Vorjahr ist ihm – als Weltregisseur für die Biathlon-Bewerbe bei Olympia in Pyeongchang – kurz vor dem Start eines Damenbewerbs der Übertragungswagen ausgefallen: "Das ist wie bei einem Flugzeugabsturz. Da wirst du ganz ruhig." Und weil es beim Langlaufen sowieso ruhiger zugeht, will Kögler auch die herrliche Landschaft in und um Seefeld zeigen. Der Wetterbericht passt jedenfalls.
Die nordische Ski-WM und der ORF
1600 Medienvertreter berichten von der nordischen Ski-Weltmeisterschaft vom 19. Februar bis 3. März in Seefeld, darunter 24 TV-Stationen und 500 schreibende Journalisten.
60 Stunden zeigt ORF eins live, aus dem täglichen WM-Studio berichten Boris Kastner-Jirka und Karoline Zobernig. Als Experten fungieren Andi Goldberger, Martin Koch (beide Skispringen), Alois Stadlober (Langlauf) und David Kreiner (nordische Kombination).
330 Mitarbeiter sind für den ORF in Seefeld in Summe tätig. Michael Kögler (Langlauf) und Werner Mitterer (Skisprung) sind für die weltweit übertragene Regie verantwortlich.
75 Kameras fangen die Langlaufbewerbe ein, darunter eine 870 Meter lange Seilkamera, sechs Kamerakräne, zwei Drohnen, ein Zeppelin und acht Super-Zeitlupen-Kameras. Die Springen von der Normalschanze in Seefeld werden von 24 Kameras erfasst, jenes in Innsbruck von 27.
5 Fragen an ... David Kreiner (37), ORF-Co-Kommentator
Der Olympiasieger (2010 in Vancouver) und Doppelweltmeister agiert bei den Wettbewerben der nordischen Kombinierer in Seefeld für den ORF als Co-Kommentator.
1. Herr Kreiner, was haben Sie sich für diese WM an verbalen Sprüngen vorgenommen?
Ganz easy, weil ich hundertprozentig fix qualifiziert bin. Das war im Sport nicht immer so.
2. Wie lief die Vorbereitung hinter dem Mikrofon?
Die Katze im Sack haben sie nicht gekauft. Ich habe bei Weltcup-Rennen schon kommentiert. Das hat anscheinend gepasst – da haben sie gesehen, dass ich der deutschen Sprache mächtig bin. Mir taugt es, zum Geschehen meinen Senf dazuzugeben.
3. Sie sind Olympiasieger und Weltmeister. Was hat da medial auf Sie eingewirkt?
Ich probiere immer, dem Gegenüber meine Aufmerksamkeit zu schenken, egal, ob der ein Mikrofon in der Hand hat oder nicht. Medaillen sind das Sahnehäubchen, aber alles andere ist wichtiger.
4. Etwa die Gesundheit – Sie sind im Jahr 2001 bei einem Bergunfall 30 Meter abgestürzt.
Seitdem hat sich mein Lebensbild grundlegend geändert. Ich hatte einen doppelten Wirbelbruch, da wird jeder Tag zum Geschenk. Die großen Siege waren, wieder aufstehen oder allein auf die Toilette gehen können. Nach einem halben Jahr waren Meter und Sekunden wieder wichtiger.
5. Wie schätzen Sie die Chancen der österreichischen Kombinierer für die WM ein?
Ich bediene gern das Phrasenschwein, also sage ich: Erwarte nichts, sei aber auf alles vorbereitet. Die Kombinierer sind richtig gut drauf, vor allem auf der Schanze.