Jetzt ist Marcels Hirschers Karriere vollendet
Jubel nach Kombi-Sieg: Der 28-jährige Salzburger hat seine Titelsammlung komplett gemacht und kann nun ohne Druck weitere olympische Glanznummern liefern.
Muss Marcel Hirscher Tränen vergießen, weil er – im Gegensatz zu Ludwig van Beethoven – seine "Unvollendete" fertig komponiert hat? Der 28-jährige Salzburger tat es nicht. Der 13. Februar wird trotzdem wieder einmal in die österreichische Olympia-Sportgeschichte eingehen. Als jener Tag, an dem Hermann Maier 1998 in Nagano seinen Jahrhundertsturz in der Nagano-Abfahrt fabriziert, Mario Reiter Kombi-Gold gewonnen und eben Hirscher 20 Jahre danach "das letzte große Ding" erobert hat. Der sechsmalige Weltmeister und Gesamt-Weltcupsieger ist Olympiasieger. Endlich.
Wie fühlt sich das an? "Sau-miad, i hoff, die Köch’ ham scho die Schnitzln einig’haut", lächelte Hirscher, als er um 21.51 Uhr Ortszeit das "Austria House" betrat, um abgefeiert zu werden. Mit rot-weiß-roten Fahnen, Mark Forsters Hit "Und die Chöre singen für dich", begeisterten Menschen, die vor dem Ski-Star sogar in die Knie gingen – und Funktionären, die sich zum Gratulieren anstellten.
Hirscher ließ das alles über sich ergehen, ohne die großen Emotionen zu versprühen. Dafür passt einfach der Schauplatz der Spiele nicht. Keine Spur von Ski-Euphorie in Pyeongchang – knapp 1000 hatten sich ins Zielstadion verirrt. Bei der Edelmetall-Verleihung um 20.20 Uhr – durch Willi Kaltschmitt Lujan aus Guatemala, Mitglied des IOC-Exekutivkomitees – waren es noch weniger. Obwohl gestern freier Eintritt für die Zeremonien ausgerufen wurde.
"Wir sind hier irgendwo und fahren halt Rennen. Da wird dir bewusst, was für ein Privileg es war, vor 50.000 Fans in Schladming Weltmeister (2013, Anm.) geworden zu sein", betonte Hirscher: "Als kleines Kind hatte ich von Olympia andere, wunderbare Bilder. Aber dieses Feeling hier ist ernüchternd. Man steht in einem Rahmen, den i ned kenn." Noch dazu ohne Lederhose, in der der Champion gerne bei der Siegerehrung angetanzt wäre.
Jeans taten es auch, Gold bleibt Gold. "Der ideelle Wert ist unbeschreiblich hoch, das weiß ich. Und die Fragen, ob es auch ohne Olympia-Gold eine große Karriere ist, hören auf. Weil: Das, was vorher war, war kein Schaß." Nachsatz: "Wahrscheinlich werde ich jetzt ruhiger schlafen."
Verständlich nach so viel Aufregung an einem Kombi-Tag, der mit einer grandiosen Abfahrtsleistung ("Die beste in meiner Karriere") begann. Tags zuvor hatte Marcel im kurzen Super-G-Training (13 Schwünge) mit Aksel Lund Svindal (Nor) und Hannes Reichelt das richtige Set-up gefunden. Doch um ein Haar hätte auch das nicht gereicht, weil im Slalom Windböen über Hirscher "hereinfielen", die Bodensicht gleich null war. "Ich dachte, das kann jetzt nicht wahr sein", gestand Marcel.
Im Ziel starb seine Laura (Moisl, Anm.) gefühlte tausend Tode. "Sie ist eine wichtige Stütze, das macht Zuhause aus. Und das Zuhause ist jetzt hier." In Pyeongchang, wo Hirscher noch mehr Gold schürfen will, kann, aber nicht muss ...