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Walsafari am Polarkreis

29. Dezember 2018, 00:04 Uhr
Walsafari am Polarkreis
Eine nahezu hundertprozentige Chance auf ein Rendezvous mit den Meeresriesen besteht von Oktober bis Jänner. Bild: Lädtke

Der Jänner ist die beste Jahreszeit, um am Polarkreis auf Wal-Safari zu gehen. Die bizarre Winterwelt auf den Lofoten hat Manfred Lädtke besucht.

Vor 192 Jahren trat auf den Lofoten ein junger Norweger seinen Dienst als "Amtmann" an. Als er die kahlen grauen Berge sah, soll er in sein Tagebuch notiert haben: "Hier kann die Vorstellung von Schönheit nur als Entbehrung aufkommen…"

Fast eine Million Besucher sehen das Lofoten-Wunderland heute mit anderen Augen. Die 150 Kilometer lange Bergwand der Lofoten und "Moby Dick" sind die beliebtesten Fotomotive in der norwegischen Inselwelt. Das sehen mittlerweile auch Scharen asiatischer Besucher so. Touristiker ringen derzeit um Antwort auf die Frage, wie viel Tourismus das Inselreich verträgt, ohne seine Einsamkeit und ungezähmte Natur aufs Spiel zu setzen.

Unter dem hellblauen Himmelsdach des Hafenstädtchens Svolvær spiegeln sich rote Fischerhäuser im Wasser. Dem weiten Blick über das Meer stellen sich hier und da nur schneebetupfte schroffe Felstürme in den Weg. Plötzlich schieben sich Riesenschwaden finsterer Wolken über den Hafen der Insel Austvågøya. So hurtig, wie das Regendunkel kommt, macht es der Sonne wieder Platz. Im Spätherbst und Winter verwandelt sich Norwegens vorgelagerte Inselkette in ein Energiezentrum der Natur mit launischem Wetter, dramatischem Licht und einer mystischen Landschaft voll mit Schlupfwinkeln für die Seele. Ferienhaus Nummer 15: Ein Holzsteg führt zu der Pfahlhütte mit Schlafkammern, Wohnküche und Bad. "Rorbuer" (Rudererbuden) heißen die mit roter Farbe vor Wind und Wetter geschützten modernisierten oder nachgebauten ehemaligen Fischerquartiere. Ein König ließ im 12. Jahrhundert die ersten Rorbuer für Fischer errichten, die im Winter mit Ruderbooten in die ertragreichen Fjorde kamen.

Walsafari am Polarkreis
Nostalgische Unterkunft bieten nachgebaute „Rorbuer“. Bild: BONO

Als die einst üppig sortierte Speisekammer des Meeres den Lofot-Fischern nur noch reduzierte Angebote machte, kamen immer weniger Lachs-, Dorsch-, Heilbutt- und Heringsjäger in die nassen Jagdgründe. Die Pfahlbauten vergammelten oder wurden von Winterstürmen ins Meer gefegt. Dem Fremdenverkehr sei es zu verdanken, dass diese inseltypische Dorfarchitektur nicht verschwunden ist, erklärt Tourismusmanager Ole. Der Wind pfeift in den nostalgischen Ferienhütten nicht mehr durch die Ritzen, und er treibt auch keinen Schnee mehr durch die Balken. In stürmischen Nächten, wenn das Meer unter den Fenstern wütet, kommt aber wie vor Jahrhunderten "Bewegung" in das Gebälk und schaukelt den Quartiergast in den Schlaf.

Es ist angerichtet

Die unfreiwillige Wackelpartie ist dann die nächtliche Einstimmung auf den kommenden Tag, wenn es an Deck eines Motorschiffes hinaus aufs Meer zur Walbeobachtung geht. Ein Dutzend in Regenkleidung gehüllte Deutsche, Engländer und Schweden stehen morgens an der Reling, als das Schiff Svolvær verlässt. Mit 50 km/h scheucht Captain Odd den Trawler durch die Wellen. Vor dem Bug spannt sich ein arktischer Himmel über das Meer, Backbord droht von den Bergen ein Tief das Schiff einzuholen. Durch wulstiges Küstengrau lugen die zackigen Berge der Lofoten wie eine Armee unheilvoller Zyklopen hervor: Ein Bild wie ein Szenengemälde aus einem dämonisch schönen Nordlandmärchen. Von Oktober bis Jänner locken riesige Heringsschwärme Wale in den warmen Golfstrom am nördlichen Polarkreis: "Beste Aussichten für eine Whale-Watching-Tour", wagt der Captain eine optimistische Vorhersage.

Walsafari am Polarkreis
Stolzer Tagesfang auf einem Gästekutter Bild: Lädtke

Während der kulinarischen Festmonate der im Vestfjord lebenden Schwertwale (Killerwale) gebe es eine fast hundertprozentige Chance auf ein Rendezvous mit "Moby Dick". Der aber lässt auf sich warten. Ob der in fast allen Weltmeeren zu findende Kosmopolit gerade zu Tisch ist? Wenn ihn der Hunger plagt, stehen alle Sorten von Fisch auf seinem Speiseplan. Sogar vor Pinguinen, Schildkröten, Delfinen und Seehunden macht der weltreisende "Killerwal" nicht Halt.

Plötzlich gleiten 200 Meter Steuerbord zwei, vier, sechs Rückenflossen wie spitze schwarze Segel durch die silbrig schimmernde See. Atemfontänen spritzen in den Himmel. Das Schiff legt ein paar Knoten zu, dann pirscht es sich langsam an die Meeressäuger heran. Endlich stoppt der Captain den Dieselmotor. "Ein Familienverband", stellt der Skipper fest. Nur wenige Delfinsprünge vor der Bootsreling stoßen die prustenden Schwimmer durch die Wellen. Schwarz-blau glänzende Rücken wölben sich aus dem Wasser, fallen nach vorne und verschwinden wieder im Meer. "Look right, look right – he’s jumping", ruft aufgeregt ein Schwede: Ein fast neun Meter langer Killerwal reckt übermütig seinen weiß-schwarzen Leib aus den Fluten. Mit einem scheinbar breiten Grinsen im Gesicht blickt er Sekunden die Schaulustigen an, dann lässt der Koloss seinen tonnenschweren Körper krachend auf das Meer klatschen. Die mächtige Schwanzflosse steht senkrecht im Wasser, als der Orca in die spritzende Gischt taucht. Zwei, drei Mal wiederholt sich das majestätische Schauspiel. Zum Staunen bleibt kaum Zeit. Kameras klicken, Handys machen "raatsch". Im Umkreis einer halben Seemeile gehen weitere Beobachtungsschiffe auf Position. Ein Schnellboot flitzt über die Wellen, nimmt Kurs auf einen zweiten, immer näher kommenden Walverband. Es scheint, als würden sich die Tiere zu einem großen Fest versammeln. Ihr Weg durch das Meer sei nicht beliebig, weiß Captain Odd. Mit einem Stimmenuniversum aus melancholischen Gesängen, Pfeifen und Rufen verständigen sich die Orcas: Wo schwimmen wir hin, was ist geplant? Oder: Schnauze weg – das ist meine Dame!

Spektakel mit Schattenseiten

Heike Vester von Oceans Sounds e.V. betrachtet die Wal-Safaris aus anderer Perspektive. In einem Lofoten-Aquarium geht die Walforscherin der Unterwasserwelt auf den Grund. Schwertwale blieben ihr Leben lang in Familiengruppen bei ihrer Mutter, berichtet die Wissenschaftlerin aus Stuttgart. Die großen männlichen Tiere seien daher auch nicht die Väter, sondern Brüder und Cousins der jungen Säuger. Viel zu oft finde sie von Booten gerammte verletzte Tiere. So wie "Strumpy". Der kleine, verkrüppelte Wal könne sich nicht mehr alleine ernähren und werde von anderen Familien gefüttert. Viele ehemalige Walfänger, die auf Touristenboote umgestiegen seien, würden weder Ausbildung noch Lizenz für das tierische Sightseeing auf dem Meer besitzen. Appelle, höchstens 100 bis 200 Meter an die Wale heranzufahren und die Motoren früh abzustellen, würden manchmal ebenso im Seewind verfliegen wie der Hinweis, sich den Tieren nur parallel zu nähern, beklagt die Wissenschaftlerin.

Walsafari am Polarkreis
Die Chancen, die flackernden Nordlichter zu erleben, sind von Jänner bis April besonders aussichtsreich. Bild: Lädtke

Es ist Abend geworden. Starr ruht die Insellandschaft unter dem silberweißen Licht des scheinbar nahen vollen Mondes. Winter auf den Lofoten, das ist die farbenverliebte Zeit der bunten Lichterspiele. Das Nordlicht macht am Himmel Theater, schwebt wie wallende Schleier aus Grün, Gelb und Violett über Schwärme von Buchten, Fjorde und Schären. Im März steigt das Licht vom Himmel wieder auf die Eilande herab. Die Tage dauern dann mindestens zehn Stunden, und im Mai feiern in der warmen Mitternachtssonne Tage und Nächte eine Licht-Party. In Solværs "Magic Ice Bar" zeichnen Lichtmaschinen über einem Dutzend kristallklarer Eisskulpturen das Nordlicht nach. So wie der bunte Zauber in der minus fünf Grad eisigen Kunstbar wechseln auch draußen vor der Tür die heiteren Lichtsymphonien unversehens in ein graues Moll.

Ole nimmt einen kräftigen Schluck vom beerenstarken "Frost"-Schnaps. Vielleicht habe jener Amtmann im Jahr 1825 seine Tagebuchnotiz ja an einem dieser regnerisch-milchigen Tage geschrieben, überlegt Ole. Wahrscheinlich hat er recht.

 

Informationen zur Reise

 

Abenteuertouren und Bausteinreisen hat zum Beispiel der Reiseveranstalter Dertour im Programm. www.dertour.at

Walbeobachtungen: Im Winter finden Waltouren in den vielen Fjorden der Lofoten und Vesterålen statt. Hier sind mit großer Verlässlichkeit Orcas und Buckelwale zu sehen, gelegentlich auch Finnwale. Im Sommer ist der wichtigste Ort die kleine Hafenstadt Andenes im Norden der Vesterålen.

Klima: Der warme Golfstrom beschert den Lofoten auch im Winter ein mildes Klima. Häfen und Gewässer sind meistens eisfrei. Das Nordlicht treibt bei kaltem, klarem Wetter sein buntes Spiel am Himmel.

Essen: Eine Spezialität sind gekochte Seeteufelfilets, gebratener und mit Kräutern abgeschmeckter Seelachs oder über Tannenholzrauch gegarte Forellenfilets. Der kulinarische Spaß hat allerdings seinen Preis. Die Rechnung in Norwegens Restaurants fällt um mindestens 25 Prozent höher aus als bei uns. Für ein Menü zahlt man rund 45 Euro. Sehr empfehlenswert ist das Hafenrestaurant „Börse“ in Svolvaer.

Literatur: Reiseführer „Lofoten“, Edition Elch, 23,60 Euro. Bildband „Das Norwegen Buch“, Kunth Verlag, 25,70 Euro.

Auskünfte: www.lofotr.no, www.vistit.norway.com

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