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Vielfalt in Batschka und Banat

Von Josef Achleitner, 07. Oktober 2018, 00:04 Uhr
Vielfalt in Batschka und Banat
Ein Blick von der Belgrader Festung, ehe die Fahrt in die nördliche Provinz Vojvodina geht. Bild: ach

Serbiens Provinz Vojvodina, einst auch deutschsprachig besiedelt, hat noch immer viele Volksgruppen.

Banat und Batschka sind in Österreich spätestens seit den Nachkriegsjahren ein Begriff, als Tausende volksdeutsche Vertriebene hier Zuflucht suchten und sich ein neues Leben aufbauten. Es sind zwei Regionen in der Vojvodina, der nördlichsten Provinz Serbiens. Diese Region gehörte vom Ende der Türkenkriege bis 1918 zum Habsburgerreich, verwaltet vom ungarischen Teil der Monarchie.

Seit dem 18. Jahrhundert siedelten sich auf Wunsch des Kaiserhauses und regionaler Adeliger in mehreren Phasen in dem durch die Kriegsjahre menschenleer gewordenen Gebiet in der pannonischen Tiefebene Deutsche (später Donauschwaben genannt), dazu noch Ungarn, Serben, Kroaten, zum kleineren Teil auch andere Gruppen an. Der in der Vojvodina aufgewachsene und in Belgrad geborene österreichische Schriftsteller Milo Dor (gestorben 2005) schwärmte von seiner Jugend, weil sich damals fast jeder in drei, vier Sprachen verständigen konnte, und die Nationalitäten, wenn schon nicht eng miteinander, so doch friedlich nebeneinander lebten.

Heute gibt es nach der Vertreibung (bis 1948) nur noch wenige Deutschsprachige, und nur vereinzelt sind Juden zurückgenommen, die den Holocaust überlebt haben. Dennoch ist die Vojvodina noch immer ein Land der Volksgruppen. Zwei Drittel der Bevölkerung sind inzwischen aber Serben.

Tag der Traubenpflücker

In Vrsac (Werschetz) mitten im Banat wird bei unserem Besuch gerade der Tag der Traubenpflücker gefeiert. Es ist eine Weingegend, und die Winzer arbeiten daran, mit gutem Welschriesling und Riesling die Folgen der Massenerzeugung in den Jahren des Tito-Kommunismus zu beseitigen. Am Rathaus – interessanterweise im schottischen Landhausstil des 18. Jahrhunderts gehalten – ziehen mit Blasmusik die kostümierten Weinbauern vorbei.

Die 35.000-Einwohner-Stadt ist serbisch-orthodoxer Bischofssitz und verfügt mit der neugotischen Pfarrkirche zum heiligen Gerhard über das größte katholische Gotteshaus Serbiens. Etwa 80 Familien im Umkreis sind rumänisch-orthodox. Ion Cissma, Vertreter der rumänischen Volksgruppe im Minderheiten-Nationalrat Serbiens, konstatiert ein Problem, das das ganze Land betrifft: die Abwanderung der Jugend. Seine Tochter und sein Schwiegersohn arbeiten als Ärzte in Deutschland. Europa oder Amerika ist das Ziel der Jungen, die in Serbien bei einem Durchschnittsverdienst von etwas mehr als 400 Euro keine Zukunft sehen.

Was die Mitsprache der Minderheiten betrifft, so war für Cissma die jugoslawische Zeit am besten. Serbien habe die anfängliche Reduktion der Rechte wieder etwas gemildert. In der gutbürgerlichen Familie Cissma wird die Erinnerung an die Habsburger-Zeit noch immer hochgehalten. Jeder der Vorfahren konnte Deutsch. Nach 1918 wurde das alte Geld aufbewahrt, in der Hoffnung, das alte Kaiserreich komme einmal wieder.

Naive Kunst mit Welterfolg

Kovacica im Südbanat ist ein Städtchen mit 6000 Einwohnern und weltbekannt. Hier entdeckten Kunstliebhaber in den 1950er-Jahren Maler, die sich die Kunst selbst beigebracht hatten und mit ihrem einfachen, aber gekonnten Stil und nostalgischen, emotionell berührenden Themen beeindruckten. In der mehrheitlich von im 19. Jahrhundert aus der katholischen Slowakei zugewanderten Protestanten bewohnten Stadt gibt es heute zahlreiche Künstler dieser Stilrichtung, die seit Jahrzehnten auch international Erfolg hat.

Vielfalt in Batschka und Banat
Zuzana Versesky, Vorzeige-Künstlerin in Kovacica, der international bekannt gewordenen, slowakisch besiedelten Heimat der Naiven Malerei Bild: ach

Aktuell die bekannteste Malerin ist Zuzana Veresky, die mit der Bezeichnung "Naive Kunst" wenig Freude hat. "Selbst gelernt" hätte sie lieber. Sie male von klein auf aus Leidenschaft: "Ich würde auch malen, wenn ich nichts damit verdienen könnte", sagt sie den Gästen.

Jeder Pinstelstrich sitzt bei Veresky exakt, binnen weniger Minuten hat sie einer Kollegin eine perfekte Blume auf den Handrücken gemalt. In der Galerie der Malergemeinde gilt Qualitätskontrolle: "Ein Neuer oder eine Neue müssen uns schon überzeugen, dass sie gut genug sind. Wer nur fürs Geld malt, kommt nicht zu uns."

Russinen – einst Ruthenen

Katholische Priester, die heiraten dürfen, deftige Fleischkost wie einst bei uns auch: Wir sind bei den Russinen in ihrem Zentrum Ruski Krstur (Kerestur), einer slawischen Volksgruppe, die in der österreichisch-ungarischen Monarchie auch Ruthenen genannt wurde. Die Russinen sind griechisch-katholisch, uniert mit Rom, ihr religiöses Leben spielt sich aber nach orthodoxem Ritus ab, und der Zölibat gilt nicht für ihre Pfarrer.

Wir essen köstliche Wurst vom Kopffleisch und aus Innereien – für manche ist es besser zu essen, ohne Genaueres zu wissen –, Käsegebäck und gebackene Fladen mit Kraut. So gut und deftig die Kost, so ernst nehmen es die Vertreter der Russinen mit der Erhaltung ihrer Art. Sie betreiben eine eigene Schule bis zur Matura und haben sogar einen Lehrstuhl für russinische Sprache in der Provinzhauptstadt Novi Sad eingerichtet. Auch hier leidet man unter der Abwanderung der Jungen und gut Ausgebildeten, die anderswo ihre Chance suchen. Da hilft auch das Wasser aus dem kleinen "Lourdes" außerhalb des Ortes nicht, wo es Marienerscheinungen gegeben haben soll.

Die Ungarn, einst die politisch herrschende Schicht, sind in Subotika in der nördlichen Batschka noch knapp die Mehrheit vor den Serben und deutlich vor den Kroaten. Der Wiener Jugendstil ist lokal adaptiert hier an vielen Häusern der Stadt zu bewundern. Mit Hilfe aus Budapest ist die alte große Synagoge vorbildlich renoviert worden. Sie dient als Kulturhaus, die wenigen verbliebenen Juden beten in einem kleineren Haus.

Vielfalt in Batschka und Banat
Die mit ungarischer Hilfe renovierte alte Synagoge von Subotica, ein Meisterwerk des ungarischen Jugendstils Bild: ach

Nicht weit von Subotica bewundern wir noch die Kroatinnen von Donji Tavankut bei ihrer Kunst der Strohtechnik. Schmuckstücke, Schatullen und plastische Bilder entstehen hier in unglaublicher Feinarbeit mit Schere und Kleber.

Vielfalt in Batschka und Banat
Die Volkskünstlerinnen im kroatischen Donji Tavankut: Schmuck und plastisch wirkende Bilder aus dem Stroh einer alten Getreidesorte Bild: ach

 

Dynamische „weiße Stadt“

 

Serbiens Hauptstadt Belgrad entwickelt sich rasant, wirkt westlich und ist geprägt von einer äußerst lebenslustigen jungen Generation.

 

Serbiens Hauptstadt Belgrad ist der lebende Kontrast zum durchwachsenen Image des Landes. Nichts davon spürt der Tourist in der Hauptstadt, der „weißen Stadt“ Belgrad, wie sie übersetzt heißt. Der Name stammt von der alten Bezeichnung „Griechisch-Weissenburg“. Kämpft das Land politisch und wirtschaftlich noch um den Anschluss an EU-Europa, so kommt einem die 1,4-Millionen-Metropole zumindest im Zentrum entgegen, als seien ihre Menschen längst dabei im wohlhabenderen, schickeren Teil des Kontinents.

Knez Mihailova, die Hauptgeschäftsstraße, kann dem Vergleich mit westlichen Städten standhalten, auch was den Trend zu internationalen Luxusläden betrifft. Die Frauen, vor allem die jüngeren, aber auch die jungen Männer wirken modebewusster als in Städten wie Prag und Budapest. Die Bedienung in den Cafés ist locker und unprätentiös, und die Preise sind für Westler ein Schnäppchen: das Bier für umgerechnet 1,50 Euro, ein ordentlicher Cocktail für etwa 3,50 Euro. Die Mihailova ist tagsüber voll von Passanten, quirlig wie eine süditalienische Stadt. Abends sitzt man in der dritten Septemberwoche nicht nur hier noch, ohne zu frieren, in den Gastgärten.

Herrliches Festungspanorama

Die Fußgängerzone mündet ein in den Park Kalemegdan, eine der vielen Grünanlagen Belgrads, die die berühmte Festung der Stadt umgibt: ein Muss für den Besucher wegen ihrer Bedeutung als Bollwerk für die jeweils Mächtigen genauso wie wegen der Aussicht. Die Mündung der Save in die Donau, die große Kriegsinsel, der traditionelle Stadtteil Zemun und der Blick in die Pannonische Tiefebene, all das ist schon fantastisch. Besonders, wenn man es in der Abendsonne genießt.

Es gibt viel mehr Leben am Wasser als bei uns, nicht nur in Restaurants. Das Viertel Savamala gilt seit Jahren als das „Hipsterquartier“ der Stadt. Partyleben, Ausstellungen, ein Markt, Hausboot-Lokale kontrastieren mit dem maroden Zustand der Gebäude. Gigantische Pläne eines Bauunternehmens aus Abu Dhabi für das Luxusviertel „Waterfront“ an der Save haben aber zuletzt Widerstand ausgelöst. Regionaltypische Stimmung bietet das Bohemeviertel Skadarlija, eine frühere Handwerkerstraße mit Kopfsteinpflaster, das am Abend mit deftiger Balkanküche (Geschmortes mit Püree und geraspeltem Krautsalat) und Folklore die Massen anzieht.

Stolz sind Belgrader auf das nach langen Renovierungsarbeiten eröffnete Serbische Nationalmuseum, beweisen dessen Ausstellungstücke doch, dass Serbien seit Urzeiten ein wichtiger Bestandteil Europas war: sei es mit der sieben Jahrtausende zurückreichenden Lepenski-Vir-Kultur, sei es als Geburtsort von 17 römischen Kaisern oder als Frontland gegen osmanische Eroberer.

 

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1  Kommentar
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mitdabei (1.699 Kommentare)
am 15.10.2018 12:42

Im Artikel rühmt Herr Achleitner die "Dynamische ´weiße Stadt´" Belgrad ob der lebenslustigen Bürger/innen und der Geschichte der Stadt. Mit keinem Wort aber wird erwähnt, dass diese Stadt kein Flair hat, dass historische Bauten zwischen stillosen Bauten des 20. Jhdts. stehen, dass Bauruinen die Stadt verschandeln und Touristenführer ihre eigene Geschichte zurechtbiegen.

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