Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

gemerkt
merken
teilen

Reise in eine kaiserliche Vergangenheit

Von Bert Brandstetter, 29. September 2018, 15:00 Uhr
Reise in eine kaiserliche Vergangenheit
Abendlicher Jugendtreff in Lemberg Bild: Brandstetter

Die Ukraine macht es Reisenden nicht leicht. Doch der Westen des Landes übt besonders auf Österreicher seinen Reiz aus, einen recht alten noch dazu.

An Kreuzweh sollte niemand leiden, der die Ukraine aufsucht. So einfach der Flug zu schaffen ist, so mühsam ist es, sich dann per Bus durch das Land chauffieren zu lassen. Erstens gibt es im ganzen Land kein Fahrzeug, das nur annähernd mit dem gewohnten Komfort moderner europäischer Busse mithalten könnte, zweitens sind die Straßen so beschaffen, dass sie wegen der Unebenheiten und Schlaglöcher teilweise nur im Schritttempo zu befahren sind, ohne einen Achsbruch zu riskieren. Wohl werden Reisen durch die Ukraine dadurch sehr beschaulich, für 200 Kilometer sind durchaus vier Stunden und mehr zu kalkulieren, andererseits entsteigt man dem klapprigen Bus dann mehr als durchgerüttelt.

Reise in eine kaiserliche Vergangenheit
An den Autos ist zu erkennen, wie sich die Zeiten ändern. Bild: Brandstetter

Der ukrainische Eingeborene wählt für Reisen über Land aber auch nicht den Bus, sondern die Bahn. Das Schienennetz ist gut ausgebaut und billig, weil staatlich, und es ist ein ganz wesentliches Relikt, das letztendlich dem österreichischen Kaiser zu verdanken ist. Nur per Bahn war es ihm möglich, diesen äußersten Winkel der österreichisch-ungarischen Monarchie irgendwie zu regieren. Die Bahn war es auch, die nicht nur ihn selbst das eine oder andere Mal in das galizische Kronreich transportierte. Auch seine Beamten, die er zur Verwaltung dorthin abkommandierte, konnten nicht anders als per Bahn dorthin gelangen, ebenso wenig wie die ukrainischen politischen Delegierten, die im Wiener Parlament Sitz und Stimme hatten.

1918, mit dem Ende des 1. Weltkrieges, war es mit dem etwa 140-jährigen Einfluss Österreichs in Galizien ein für allemal vorbei, die Spuren der damaligen Zeit, die oft unumwunden als die goldene Zeit der Ukraine bezeichnet wird, sind aber noch vorhanden. Vor allem in Lemberg und in Czernowitz unterscheiden sich viele Gebäude nicht von Bauten in Wien. Unzählige Elemente der Jugendstil-Epoche schaffen ein vertrautes Ambiente, freilich oft erst auf den zweiten Blick.

Reise in eine kaiserliche Vergangenheit
Katholische Uni in Czernowitz, gegründet unter Franz Joseph I. Bild: Brandstetter

Was stocken lässt, ist der Zustand der Fassaden, die dringend einer Sanierung bedürften. Dort, wo das bereits geschehen ist, wird der wertvolle Schatz der Historie unmittelbar spürbar. Alt-Österreich findet man aber auch in vielen Details: Manche gusseiserne Kanaldeckel sind noch mit "Magistrat" beschriftet, in Lemberg erblickten wir eine "k. und k. Trafik", das Bildnis von Kaiser Franz Joseph zeigt sich in vielen Restaurants, auf Speisekarten wird "Austrian Strudel" angeboten. Damit hat es sich aber auch.

Wer gehofft hätte, vielleicht auch mit der deutschen Sprache durchs Land zu kommen, wird enttäuscht. Nicht einmal Englisch ist besonders hilfreich. Gesprochen wird hier ukrainisch, russisch oder polnisch. Deutsch ist versandet, das vor dem 2. Weltkrieg noch durchaus verbreitete Hebräisch der vielen hier heimischen Juden wurde von den Schergen der NS-Diktatur gnadenlos ausgerottet.

Reise in eine kaiserliche Vergangenheit
Relikt aus der k. u. k. Zeit: Kanaldeckel in Czernowitz Bild: Brandstetter

Die Ukraine ist ein Paradies für Biertrinker, vor allem, wenn sie aus Europa kommen. Die Kellnerin bringt herrliches ukrainisches Bier, pro halben Liter 40 Hrywnja, was maximal einem Euro entspricht. Das Leben in der Ukraine kann auch gar nicht teurer sein, wenn der Mindestlohn bei 100 Euro liegt und eine Straßenbahnlenkerin über monatliche 200 Euro froh sein muss. Ein eigener Pkw ist für manche Familien noch irgendwie erschwinglich: ein uralter Lada zumeist, umgerüstet auf Gasbetrieb, weil der Sprit an den Tankstellen europäisches Niveau hat. Katalysatoren scheinen ein Fremdwort zu sein, man bekommt diesen Umstand in den Städten zu riechen und fühlt sich um Jahrzehnte zurückgesetzt. Auch die Fahrt über Land bestätigt diesen Eindruck. Die Erdäpfelernte wird mit Pferden bewerkstelligt, das ganze Dorf oder die halbe Verwandtschaft agiert als fleißige Klauber. Oder ein anderes Blitzlicht, das in dasselbe Bild passt: Neun Kühe und zwei Geißen durchwandern die Gegend, gehütet von einer Oma und ihrem Enkel.

Etwas abseits davon wieder endlose Felder, bestellt mit Mais oder Sonnenblumen. Sie erinnern an die noch immer bestehenden Kolchosen anderer, inzwischen wenig geliebter "Befreier" im Osten des Landes, die nach der Einverleibung der Halbinsel Krim akutes Interesse an potenten Ländereien im Südosten der Ukraine zeigen, was die noch junge Republik mit allen erforderlichen kriegerischen Mitteln zu verhindern sucht. Der westliche Landesteil zwischen Lemberg und Czernowitz merkt davon im Alltag wenig.

Das Leben pulsiert, vor allem am Abend rückt die Jugend aus und signalisiert Zukunft. "Etliche kehren nach ihren Auslandsstudien wieder zurück und gründen eine Existenz, oder sie versuchen es zumindest", sagt unser Guide Paul, ein junger, äußerst versierter Kenner seines Landes, der sein Leben nach dem Studium als Fremdenführer fristet, zusätzlich betreut er 90 Bienenvölker, aber auch ein Engagement in einer Exportfirma ist nötig, um mit seiner Familie über die Runden zu kommen.

Reise in eine kaiserliche Vergangenheit
Gedenktafel für Joseph Roth in Brody Bild: Brandstetter

Viel weiß Paul über den Dichter Joseph Roth zu erzählen, der in Brody einst dasselbe Gymnasium besucht hat wie er selbst. Roth gehörte dem letzten Jahrgang an, der in Deutsch maturieren durfte, ab dann war Polnisch angesagt.

Nachholbedarf beim Wirt

"Bier aus", ertönt es im Rathauskeller von Lemberg gegen 21 Uhr. Offenbar haben zu viele Gäste nach dem hellen Gerstensaft verlangt. Dunkles oder Weißbier wäre noch zu haben, vom Hellen wurde offenbar zu wenig gebunkert. Gastronomisch gäbe es durchaus Nachholbedarf, wie in vielen anderen Bereichen der Ukraine auch. Es wird noch ein weiter Weg bis zu einer autonomen und international selbstverständlich anerkannten Republik sein. Dieses Ziel ist dem Volk nach so vielen missglückten politischen Befreiungsversuchen mehr als zu wünschen.

 

Christliche Religionen in der Ukraine: Zwischen Griechisch-katholisch und orthodox

 

Der Großteil des Volkes bekennt sich zu einer christlichen Kirche, im Westen vornehmlich zur griechisch-katholischen, im Osten zur orthodoxen Kirche. Pfarrer Dr. Vasil Rudeyko ist griechisch-katholischer Priester, Jahrgang 1977, verheiratet, Vater von zwei Kindern. Er betreut die 250 Mitglieder der Pfarre St. Klemens in Lemberg. Seine Pfarre lebt ausschließlich von Spenden, es gibt keinen Kirchenbeitrag und auch kaum staatliche Förderungen.

Wesentliches Element der ukrainischen Religiosität ist die Ikonenmalerei. Jeder Student der fünf ukrainischen Priesterseminare ist verpflichtet, das „Schreiben von Ikonen“ zu studieren. Für eine gute Ikone sind 600 bis 800 Euro zu kalkulieren.

 

mehr aus Reisen

Der Reiz des Weitwanderns

Die Insel Amrum: Stille Idylle in der Zwischensaison

Gewinnen Sie zwei Plätze bei Dreiländerreise ins Baltikum

Die Insel Guernsey: Das Erbe der Freibeuter

Lädt

info Mit dem Klick auf das Icon fügen Sie das Schlagwort zu Ihren Themen hinzu.

info Mit dem Klick auf das Icon öffnen Sie Ihre "meine Themen" Seite. Sie haben von 15 Schlagworten gespeichert und müssten Schlagworte entfernen.

info Mit dem Klick auf das Icon entfernen Sie das Schlagwort aus Ihren Themen.

Fügen Sie das Thema zu Ihren Themen hinzu.

0  Kommentare
0  Kommentare
Zu diesem Thema wurden noch keine Kommentare geschrieben.
Neueste zuerst Älteste zuerst Beste Bewertung
Aktuelle Meldungen