Huskys, Lamas und ein Schießgewehr
Kitzbühel ist nicht weit, der Trubel dagegen schon – im Pillerseetal lieben sie die Ruhe und Beschaulichkeit. Wer Abwechslung braucht, geht dennoch nicht leer aus. Einmal ein Schlittenhundeführer sein oder sich wie ein Biathlet fühlen, das kann man hier. Selbst Lamas stapfen am östlichen Ende der Kitzbühler Alpen durch den Schnee.
Merlin ist der Stürmische, Cheyenne die Schüchterne, Schiva die Rebellin, Chester der Bequeme, Spirit der Schmusebär. "Eigentlich sind alle sehr kuschelbedürftig", sagt Melanie und vergräbt ihre Finger im dichten Fell von "Schmusemaus" Chrissy. Und tatsächlich: Wer sich mit ihnen auf Augenhöhe begibt, hat schneller die Hundenase im Gesicht, als er Husky sagen kann, während man seitlich und von hinten von weiteren Schnauzen angestupst wird. Die Streicheleinheiten wollen gerecht verteilt werden. Huskys seien neugierige Weggefährten, ausgestattet mit einem starken Jagdtrieb, aber nicht ständig hinter einem her, erklärt Melanie. Und: "Sie können sehr eigensinnig sein. Wenn ein Husky nicht will, dann will er nicht."
Genug gestreichelt, denn nicht zum Kuscheln sind Merlin & Co nach St. Ulrich gekommen, sondern zum Laufen. Das ist ihre Leidenschaft, dafür haben sie von Frühjahr bis Herbst trainiert – Ausdauer, Kraft und Intervall, wie das auch zweibeinige Läufer machen.
Melanie und ihr Mann Mario machen ihren insgesamt neun Hunden Beine – er als Musher, als Hundeschlittenführer, und sie als so genannter Dog-Handler, als Helfer. Die Huskys sind ihr Hobby, die Hunde sind ihr Leben. Urlaub macht das Ehepaar aus Niederösterreich zuhause im Garten – mit den Hunden oder bei Wettkämpfen wie hier in den Kitzbühler Alpen.
Einmal Musher sein
Seit mehr als zwei Jahrzehnten schlagen Hundeführer aus ganz Europa beim "Transpillersee Schlittenhunde Trainingscamp & Rennen" ihre Zelte auf, um sich mit Gleichgesinnten zu messen. Das freudige Bellen und erwartungsvolle Jaulen von bis zu 1000 Schlittenhunden und "Schlappis", der Sammelbegriff für alle anderen Rassen, gehören dann für zwei Wochen zu St. Ulrich wie das sonntägliche Geläut der Kirchenglocken.
Winter-Camping, bei dem sich alles um den Hund dreht, so muss man sich das hier vorstellen. Wohnwagen reiht sich an Wohnwagen, die Standheizung gehört zur Standardausstattung, die mobile Sat-Schüssel ist Luxus. Trotz Minusgraden sitzen die Musher auf Klappstühlen bei ihren Lieblingen im Freien, in dicke Jacken gehüllt, die "Happy Dog"-Haube tief im Gesicht. So sieht Hundeliebe aus. Auch die Gemeinschaft wird zelebriert. Man trifft sich am abendlichen Lagerfeuer und bei der Musher-Party mit Live-Musik.
Wer mehr will, als die Tiere zu streicheln, kann drei Tage lang in das Leben eines Mushers eintauchen, kann beim morgendlichen Füttern dabei sein, die diversen Kommandos lernen, die verschiedenen Arten, einen Hundeschlitten anzuspannen, ebenso kennenlernen wie die verschiedenen Schlittehunderassen bei einem Rundgang durch das Camp. Als krönender Abschluss wartet dann eine eigene Ausfahrt mit dem Hundeschlitten und als Belohnung ein Musher-Diplom.
Mit dem Musher-Diplom in Händen ist es Zeit, weiter in das Tal vorzudringen, vorbei am langgezogenen Pillersee mit seinem smaragdgrünen Wasser, das sich auch im Sommer nicht mehr als auf 17 Grad erwärmt. Aber an Sommer denkt derzeit niemand. Die Bäume und Sträucher tragen schwer an ihrem Weiß, und der Himmel schickt weiter dicke Flocken. Hochfilzen gilt nicht nur als Schneeloch, es ist eines. Daten aus 30 Jahren belegen das. Durch diese kämpfte sich ein Waidringer Sportwissenschafter und Tourismusforscher und kam auf eine durchschnittliche kumulierte Neuschneemenge von 6,71 Meter pro Winter. Seither haben sie es hier verbrieft: Nirgendwo in Tirol fällt mehr Schnee als in Hochfilzen. Die Touristiker freut’s, die Wintersportler sowieso.
Laden – schießen – laden
Das Bergdorf auf 1000 Meter Höhe mauserte sich in den vergangenen 50 Jahren zur Biathlon-Hochburg Europas. Der Weltcup ist hier ebenso Dauergast wie die Biathlonelite aus aller Welt, die regelmäßig trainiert, wettkämpft und die Weltbesten ihresgleichen kürt. Während die Profis im neuen "Langlauf- und Biathlon-Zentrum" ihre Schnelligkeit und Zielgenauigkeit unter Beweis stellen, können Einsteiger im Biathlon-Camp der "Nordic Academy" ihre Treffsicherheit testen.
"Das ist die Kimme, das ist das Korn", eröffnet Biathlon-Trainer Gerhard seine Einführung in die Gewehrkunde. Kein Kleinkaliber wie die Profis, sondern ein Luftdruckgewehr nehmen die Einsteiger in die Hand. Am Bauch liegend, auf die Ellbogen gestützt, die Stöcke in den Kniekehlen, das Auge an der Kimme, wird mittels Korn die Klappscheibe anvisiert. Scheibe?! Ein schwarzes Pünktchen von 1,5 Zentimetern Durchmesser trifft es wohl eher. Einatmen. Ausatmen, Schießen. Laden. Schießen. Laden. Soweit die Theorie. Die weiße Klappe geht hoch (Treffer) – oder auch nicht, was meist der Fall ist. Aber auch die wenigen Treffer lösen ein Glücksgefühl aus. Ehrgeiz ist fehl am Platz, denn es wird nicht leichter. Im Gegenteil. Die Fehlschüsse häufen sich im Stehendschießen. Man kennt das aus dem Fernsehen – und hat erstmals eine Ahnung von der Schwierigkeit dieser Sportart. "10.000 Schuss gibt ein Biathlet im Training ab" sagt Gerhard, und man vergisst zu fragen, ob während einer Saison oder einer Biathlonkarriere. Konzentration ist gefragt, denn eine weitere Steigerungsstufe steht noch aus: die Loipe. Die Runde ist kurz, doch mit einem Puls jenseits der 100 die Scheibe zu treffen, ist eine g-a-n-z andere Geschichte ...
Den krönenden Abschluss bildet ein Staffellauf. Und endlich ist es wie im Fernsehen – spannend bis zur letzten Runde. Es wird angefeuert, geklatscht, gestürzt, getroffen und noch viel öfter daneben geschossen. Die (Mini-)Strafrunden nehmen kein Ende. Am Schluss gibt es keine Verlierer, nur Körper voller Adrenalin. Zu Gerhard und seinen Kollegen in der Nordic Academy kann jeder kommen – Einsteiger und Fortgeschrittene, Einzelpersonen und Gruppen. Man kann das Schießen trainieren oder die Langlauftechnik verfeinern, mittels Videoanalyse und Leistungsdiagnostik.
Mit dem Lama an der Leine
Barbara Steinacher hat eine andere tierische Leidenschaft. Die Anfahrt zu ihrem Hof hoch über Fieberbrunn ist steil und an diesem Tag ohne Schneeketten nicht zu schaffen. Loriot und sein Halbbruder Ronaldo warten bereits. Die Halfter sind angelegt. Die Ohren ragen wie Speerspitzen in die Höhe, die dunkelbraunen Augen erinnern an Wiederkäuer.
"Lamas brauchen eine Weile, bis sie sich auf die Person einstellen", erklärt die Besitzerin ihr anfängliches Zurückweichen. Doch ist die Leine erst einmal ergriffen, folgen Loriot und Ronaldo bereitwillig, während Barbara Steinbacher erzählt – wie sie anfangs von vielen belächelt wurde und Kopfschütteln erntete. "Aber ich bin mit Tieren aufgewachsen, und als ich den Hof meiner Eltern übernahm, wollte ich unbedingt auch welche haben. Aber es sollten besondere Tiere sein", sagt die Grafikerin.
Und Lamas seien besonders – besonders friedfertig und besonders feinfühlig etwa. "Sie passen sich den Menschen an, spiegeln ihr Verhalten." Außerdem habe mit Lamas zu wandern eine entschleunigende Wirkung, ist sie sicher. Viele genießen hier oben aber auch, was für die Tirolerin selbstverständlich ist – die Ruhe.
Das Pillerseetal
3-Tages-Musherkurse: werden immer Anfang Jänner anlässlich des Schlittenhundecamps an drei Terminen abgehalten. Infos und Anmeldung beim Tourismusverband Pillersee-Tal. www.pillerseetal.at
Langlaufen: Das Pillersee-Tal verfügt über 100 Loipen-Kilometer. Kurse für Langlauf- bzw.
Biathlon-Einsteiger und -Fortgeschrittene bei der Nordic Academy in Hochfilzen. www.nordicacademy.at
Skifahren: Für Skifahrer stehen 270 Pistenkilometer des Skigebietes Saalbach-Hinterglemm-Leogang-Fieberbrunn zur Verfügung; weiters die Skigebiete Steinplatte Waidring-Winkelmoosalm (42 Pistenkilometer) sowie die Buchsteinwand in St. Jakob (20 Pistenkilometern), auf dessen Gipfel das mit 30 Metern Höhe größte begehbare Gipfelkreuz der Welt, das Jakobskreuz, thront.
Lama-Trekking: Schnupperwandern (Kinder ab fünf Jahren) buchbar unter 0676/640 830 6, www.abenteuer-lama.at
Unterkünfte: Gemütlichkeit und Natur vereinen zwei neue Unterkünfte in Waidring: Sendlhof (www.hotel-sendlhof. at) sowie die Alpegg-Chalets (www.alpegg.com)