Gaudís Erstlingswerk
Mit der Casa Vicens schuf Spaniens Ausnahmearchitekt einst für einen wohlhabenden Makler einen Sommersitz, der jetzt als Museum in Barcelona erstmals zugänglich ist.
Es war das erste Bauwerk von Antoni Gaudí und schmückt Barcelonas Innenstadt ähnlich wie andere Kleinode des Meisters des katalanischen Jugendstils. Doch im Unterschied zu seiner imposanten Kathedrale Sagrada Familia oder der Casa Batllo ist die Casa Vicens kaum bekannt – und erst seit vergangener Woche für Interessierte zugänglich.
Nach drei Jahren intensiver Renovierung öffnet das Gebäude aus dem späten 19. Jahrhundert nun als Museum seine Pforten. Während der Schönheitsarbeiten versuchten Experten, die Formen und Farben des jungen Gaudí nachzuempfinden, die sich im Laufe der Jahrzehnte verloren hatten.
Im malerischen Viertel Gràcia
Als 31-Jähriger hatte sich der Architekt zwischen 1883 und 1885 seinem ersten Bauwerk gewidmet. Damals befand sich Gaudí noch auf der Suche nach seinem eigenen Stil. So weist das Wohnhaus kaum die für ihn später so typischen geschwungenen Formen auf. In Auftrag hatte es der wohlhabende Börsenmakler Manuel Vicens i Montaner gegeben. Im heutigen Stadtteil Gràcia, der damals noch ein Dorf nahe Barcelona war, wollte er seinen Sommersitz haben. Heutzutage ist Gràcia eines der malerischsten Viertel der pulsierenden Hauptstadt der Region Katalonien im Nordosten Spaniens.
"Dieses Haus wird kein Gaudí-Glanzlicht in Barcelona sein, aber sehr wohl interessant für Leute, die schon einige seiner Werke kennen und mehr über seine Anfänge wissen wollen, als er noch nicht als Genie galt", erklärt Mercedes Mora von der Casa Vicens. Für vier Generationen der Familie Jover, die es 1899 erworben hatte, diente es als Wohnhaus. 2005 wurde die Casa Vicens zum UNESCO-Welterbe erklärt, 2014 kaufte es die Bank Morabanc aus Andorra.
Die Familie Jover hatte 1925 einen Freund von Gaudí, den Architekten Joan Baptista Serra de Martinez, damit beauftragt, das Haus zu erweitern. In dem als Einfamilienhaus konzipierten Gebäude sollten drei Wohneinheiten entstehen, eine auf jeder der drei sichtbaren Etagen. Mit den Arbeiten verdoppelte sich die Größe des Hauses und des Gartens. In dem Erweiterungsbau befindet sich nun das Museum mit Ausstellungssälen.
Die vier Außenfassaden der Casa Vicens mit den Türmchen, die an Minarette erinnern, zeigen den Mix der Stile, die den späteren Meisterarchitekten in seinen Anfängen inspirierten. Das Innere der Casa Vicens mit seinen vier Stockwerken nimmt sich genauso vielfarbig aus. Die Wände schmücken Vögel, Palmblätter und Keramik im englischen Stil, die Fensterläden sind orientalisch gehalten. Der Fußboden des ersten Stocks weist römisches Mosaik auf, derjenige im Schlafbereich venezianischen Terrazzo. In dem Wohnhaus befindet sich zudem die erste begehbare Dachterrasse Gaudís. Das Raucherzimmer ist eines der besten Beispiele für die maurischen und arabischen Einflüsse aus der Anfangszeit Gaudís.
Die Besucherzahl soll nicht mehr als 150.000 pro Jahr betragen. "Wir wollen, dass sie so zufrieden wie möglich sind und die Anwohner des Viertels so wenig wie möglich beeinträchtigt werden", sagt Mercedes Mora. Und hofft, dass diese neue Gaudí-Erfahrung in Barcelona ein genauso großer Erfolg wird wie seine anderen Werke.
Casa Vicens Carrer de les Carolines 20, Barcelona; täglich von 10 bis 20 Uhr geöffnet; Eintritt: 16 Euro Erwachsene, Kinder/Jugendliche (7-18) und Studenten 14 Euro