Wo klapprige Fahrräder Handwerk und Menschlichkeit in Schwung bringen
ST. GEORGEN AN DER GUSEN. Im Projekt "Radstart" arbeiten Langzeitarbeitslose und Asylwerber Hand in Hand.
Schraubenschlüssel und Kombi-Zangen liegen auf der Werkbank. Es riecht nach Kettenöl und Gummi. Khalil Juldus und Yussof Yagubi ziehen gemeinsam ein neues Bremskabel bei einem Mountainbike ein. Sollte ein Problem auftauchen, dann steht ihnen mit Valentin Tröbinger ein erfahrener Fahrradtechniker zur Seite, der ihnen die passenden Handgriffe beibringt.
Seit Anfang Oktober wird im ehemaligen Lagerraum des Billa-Markts im Ortszentrum jeden Mittwoch an alten Fahrrädern gearbeitet. Immer freitags, wenn Wochenmarkt ist, können Menschen aus der Region ihre Fahrräder hier abgeben, um kleinere Reparaturen und Service-Arbeiten durchführen zu lassen. Manche spenden auch ihre alten Fahrräder. Sie werden dann hier rundum überprüft, repariert und zu günstigen Preisen an Bedürftige verkauft. Insgesamt 70 Fahrräder wurden auf diese Weise bereits in Stand gesetzt.
Ein buntes, motiviertes Team
Durchgeführt werden die Arbeiten von einer zehnköpfigen Gruppe von Menschen, die auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht Fuß fassen konnten: Langzeitarbeitslose, Menschen mit Behinderung, Migrantinnen mit geringen Sprachkenntnissen oder Asylwerber, die mangels Aufenthaltstitels noch keine andere Arbeit annehmen dürfen. Sie alle arbeiten hier Schulter an Schulter, Hand in Hand.
Geleitet wird die Werkstatt von Aziz Omersoftic. Der gebürtige Bosnier lebt seit knapp 30 Jahren in Oberösterreich und weiß, wie man aus Menschen unterschiedlicher Herkunft ein Team formt. "Die Diversität der Teilnehmer hat mir am Anfang schon Kopfzerbrechen bereitet: Männer, Frauen, Österreicher, Asylwerber. Fast jeder hatte einen anderen Zugang zum Projekt", erinnert er sich an die ersten Treffen.
Deshalb entschieden er und Valentin Tröbinger sich, praktisch von Null an zu starten. Wie ist ein Fahrrad aufgebaut, welche Teile werden stärker abgenützt als andere – und wie heißt das alles auf Deutsch? "Es war nicht einfach, deshalb sind wir schon stolz, welchen Weg wir in den vergangenen Wochen seit Oktober bereits zurückgelegt haben", sagt Omersoftic. Wer sich besonders geschickt anstellt, soll die Chance einer weiterführenden Ausbildung im Zentrum "B7" in Linz erhalten.
Die Werkstatt ist eine wichtige, aber nicht die einzige Säule, auf die sich das Projekt "Radstart" stützt. Es gibt auch Deutschunterricht, Bewerbungstrainings und Verkehrssicherheitskurse. Eben alles, was helfen kann, später einmal eine "richtige" Arbeit zu finden. Getragen wird das Projekt von den Gemeinden Mauthausen, Langenstein, Luftenberg und St. Georgen an der Gusen.
Finanzielle Unterstützung gibt es vom Wirtschaftsministerium, dem Land Oberösterreich und privaten Sponsoren aus der Region. Für Projektleiterin Andrea Wahl ist "Radstart" ein weiteres Puzzleteil für gelungene Integrationsarbeit in der Region: "Ein Fahrrad ist der erste Schritt zur Mobilität von Menschen. Diese Werkstatt bringt Menschen zusammen und bereitet sie auf einen späteren Beruf vor. Wir sind glücklich, dass wir den Radstart haben!"