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Ukraine: Schauspieler ist Präsidentschafts-Favorit

22. März 2019, 10:02 Uhr
Bild: SERGEI SUPINSKY (AFP)

KIEW. Eine Woche vor den ukrainischen Präsidentschaftswahlen scheint es lediglich in einer Frage Gewissheit zu geben: Keiner der 44 Kandidaten dürfte am 31. März eine absolute Mehrheit erhalten.

Wenn kein Kandidat bei der Präsidentschaftswahl in der Ukraine nächste Woche die absolute Mehrheit erhält,  wird erst in einer Stichwahl am 21. April der nächste Präsident gekürt. Der Wahlkampf selbst wird allen Klischees der turbulenten Innenpolitik des Landes gerecht.

Nächster Präsident oder doch nur ein guter Schauspieler?

Als Favorit gilt ein Schauspieler, der in einer Fernsehserie den Präsidenten spielt. Politisch war der Fernsehkabarettist und Schauspieler Wolodymyr Selenskyj bis zuletzt ein unbeschriebenes Blatt: Einschlägige Ambitionen hatte er zuvor lediglich in seiner Fernsehserie "Diener des Volkes" gezeigt. Dort spielte er die Rolle eines schüchternen Geschichtslehrers, der unerwartet zum Staatsoberhaupt avanciert.

Aus der Politkomödie soll nun ernst werden: Eine nach der Serie benannte Partei nominierte den fiktiven Präsidenten Ende Jänner 2019 offiziell als Präsidentschaftskandidaten. "Se" hatte sein Antreten bereits in der Neujahrsnacht ausgerechnet im Fernsehsender "1+1" des umstrittenen Oligarchen und berüchtigten Strippenziehers Ihor Kolomojskyj verlautbart, zu dem er zumindest enge wirtschaftliche Beziehungen pflegt. Inhaltlich tritt der Fernsehstar, der als einer von wenigen Kandidaten im Wahlkampf auch Russisch spricht, vor allem für alles Gute ein. Wie die Politik eines realen Präsidenten Selenskyj aussehen könnten, blieb völlig unklar.

Nichtsdestotrotz sehen Meinungsforscher Selenskyj, der in seinem Wahlkampf insbesondere auf soziale Netzwerke setzt und öffentliche Auftritte eher vermeidet, seit Wochen mit deutlichem Vorsprung in Führung vor vier langjährigen Berufspolitikern: In elf im März veröffentlichten Umfragen erklärten 23,1 bis 34 Prozent jener Befragten, die zu den Wahlen gehen wollen, ihre Präferenz für den Neopolitiker.

Viele Ukrainer sind mit den politischen Eliten unzufrieden

Mit einem deutlichen Abstand und mit Werten von etwa 15 Prozent Unterstützung liefern sich laut allen diesen Umfragen Amtsinhaber Petro Poroschenko und Ex-Premierministerin Julia Timoschenko einen Kampf um Platz zwei. Außenseiterchancen auf einen Einzug in die Stichwahl haben zudem der oppositionelle Abgeordnete Jurij Bojko, ehemals Mitstreiter von Viktor Janukowitsch, sowie der ehemalige Verteidigungsminister Anatolij Hryzenko, den vor allem liberale Poroschenko-Kritiker unterstützen.

Ob die Umfragen dem tatsächlichen Wahlverhalten am 31. März entsprechen werden, bleibt abzuwarten, klar ist, dass sie eine Unzufriedenheit vieler Ukrainer mit den politischen Eliten und eine Enttäuschung über die Performance von Petro Poroschenko abbilden, der 2014 fulminant in einem Wahldurchgang zum Präsidenten gewählt wurde.

Sorge vor korruptem Stimmenfang Poroschenkos

Poroschenko, der damals ein "neues Leben" versprochen hatte, positioniert sich im Wahlkampf als Garant für eine von Russland unabhängige sowie westlich orientierte Ukraine. Er stilisiert sich dabei insbesondere zum Gegner des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Sein zentraler Slogan "Glaube. Sprache. Armee." verweist auf die erlangte Unabhängigkeit einer ukrainischen orthodoxen Kirche vom Moskauer Patriarchat, auf die Aufwertung der ukrainischen Sprache sowie die Schaffung einer schlagkräftigen Armee. Ein im Wahlkampf aufgedeckter Skandal um mutmaßliche Kickback-Zahlungen in der staatlichen Waffenindustrie, in die ein enger Mitstreiter des Präsidenten verwickelt sein soll, schadete freilich. Vorwürfe gibt es auch, dass Poroschenko mit Hilfe des Staatsapparates Stimmen in größerem Ausmaß kaufen könnte, und derart sein Chancen am 31. März verbessern könnte.

Mit "technischen Kandidaten" der Konkurrenz Stimmen entziehen

"Die Ukraine wählt Veränderung" ließ indes Timoschenko landesweit plakatieren und visuelle Veränderungen betreffen gerade auch die Präsidentschaftskandidatin, die ihren geflochtenen Haarzopf abgelegt hat und nun mit einer zeitgenössischeren Frisur antritt. Sonst bleibt sich die begnadete Populistin freilich treu: Ihre Wahlversprechungen beziehen sich insbesondere auf Pensionen und das Sozialsystem.

Laut Kritikern der Politikerin treten acht weitere sogenannten "technische Kandidaten" nur deshalb an, um Timoschenko-Konkurrenten Stimmen zu entziehen. Von Poroschenko-Vertrauten kontrollierte Strafverfolgungsbehörden warfen ihr in den letzten Tagen zudem Unregelmäßigkeiten bei Wahlkampffinanzierung vor, die auch gerichtsanhängig werden könnten. Dass sie bei einer Wahlniederlage dafür ins Gefängnis müsste, gilt freilich als unwahrscheinlich. Nachdem Timoschenko 2010 in den Präsidentschaftswahlen gegen Viktor Janukowitsch verloren hatte, war sie bekanntlich im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit als Premierministerin zu einer Haftstrafe verurteilt und erst nach der Flucht Janukowitschs im Februar 2014 wieder befreit worden.

Die heurige Wahl sei ein Rückschritt zu schmutzigen Wahlkampfmethoden

Dass der Ausgang der Wahlen unklar ist, zeigten in den letzten Tagen auch zahlreiche Beiträge in ukrainischen Fernsehsendern, in denen in Abhängigkeit von den politischen Präferenzen des jeweiligen Besitzers "gegnerische" Kandidaten verunglimpft wurden. So agitiert etwa der Poroschenko-nahestehende Sender "Prjamyj" sichtlich gegen Selenskyj und Timoschenko, während der von Oligarch Kolomojskyj kontrollierte Sender "1+1" hart gegen Poroschenko schießt. "Im Vergleich mit 2014 sind die aktuellen Wahlen ein großer Rückschritt", beklagte am Mittwoch der ukrainische Politologe Wolodymyr Fessenko in einem Fernsehinterview den nunmehrigen Einsatz von schmutzigen und illegalen Wahlkampfmethoden. Diese könnten auch dem Image der Ukraine im Ausland schaden sowie ein Problem für die Legitimität darstellen.

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6  Kommentare
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liberal0r (5 Kommentare)
am 23.03.2019 12:31

Ich kann dem Autor weitestgehend zustimmen, wobei es meiner Meinung nach keine ausgemachte Sache ist, dass Zelenskij und Poroschenko die Wahl unter sich ausmachen. Für eine solche Vorhersage ist es noch zu früh. Die Frage ist, wie es mit dem Reformprozess in der Ukraine weitergeht, in dem ja einiges erreicht wurde. (Details hier: https://www.ibidem.eu/de/reihen/gesellschaft-politik/soviet-and-post-soviet-politics-and-society/der-reformprozess-in-der-ukraine-2014-2017.html

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am 22.03.2019 11:22

Schauspieler als Präsidenten sind immer gut!

Sie können situationselastisch
die zur jeweiligen Szene passende,
vom Regisseur vorgegebene Rolle spielen.

Vgl. dazu Reagan und ein paar andere Laienspieler.

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spoe_unlocked (638 Kommentare)
am 22.03.2019 12:22

Ronald Reagan war - retrospektiv betrachtet - aber einer der besten Präsidenten der Neuzeit. Bereits als Gouverneur von Kalifornien machte er sich einen guten Namen als "Great Communicator".

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am 22.03.2019 12:34

Ich habe nicht behauptet, daß Schauspieler
schlechte Präsidenten wären - im Gegenteil:

Sie verfügen eben über die Kunst,
jede Rolle gut zu "spielen".

Die Bezeichnung Great Communicator beweist Das treffend .

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liberal0r (5 Kommentare)
am 22.03.2019 11:00

Wer sich ein detailliertes Bild von dem machen moechte, was in der Ukraine seit 2014 erreicht wurde, was schefgegangen ist und warum dem so ist, dem kann ich nur dieses Buch ans Herz legen, das sehr kritisch und sachbezogen die letzten Jahre analysiert.
https://www.ibidem.eu/en/der-reformprozess-in-der-ukraine-2014-2017.html

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MantaRochen1 (30 Kommentare)
am 22.03.2019 10:44

ein Schuspieler hahahahahaha

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