Netflix und der Kampf um den Schirm
Nicht HBO und Disney sieht Reed Hastings als Gefahr, sondern Fortnite und Youtube
Die Tage des Fernsehens sind gezählt. Noch halten Live-Berichterstattung wie Sportveranstaltungen und ältere Generationen, die mit den althergebrachten Sendeformaten aufgewachsen sind, das klassische TV am Leben. Jüngere Generationen haben das Rundfunkmodell aber oft bereits abgeschrieben. Laut einer Umfrage der Statistik Austria (April bis Juni 2018) nutzen mehr als die Hälfte der Internet-User unter 25 Jahren kostenpflichtige Streamingdienste wie Netflix und Amazon Prime, Tendenz steigend. 95 Prozent dieser Altersgruppe streamen regelmäßig zudem kostenfreie Videos, wie sie etwa auf YouTube angeboten werden. Wer es einmal gewohnt ist, sein eigener Programmdirektor sein zu können, kehrt selten wieder zum klassischen Fernsehen zurück.
Allerdings ist der weitere, unaufhaltsame Vormarsch von Streaming-Diensten nicht garantiert. Die steigende Anzahl an Anbietern treibt die monatlichen Gebühren in die Höhe: Spotify für die Musik, Netflix und Amazon für Filme und Serien, DAZN für Sport – zusammen mit den Kosten für eine schnelle Internetverbindung ist das Unterhaltungsbudget für den Monat so schnell ausgereizt. Und mit Disney+ scharrt ein weiterer Streaming-Gigant in den Startlöchern.
Das Phänomen Fortnite
Steigende Gebühren treiben vor allem junge Nutzer zu anderen Unterhaltungsformen auf dem Bildschirm. Neben kostenlosen Alternativen wie Youtube sind das oft Multiplayer-Spiele wie Fortnite. Der Titel hat sich im vergangenen Jahr von einem beliebten Online-Shooter zu einem kulturellen Phänomen entwickelt. Wenn Sie Ihre Kids des Öfteren bei seltsam anmutenden Tanz-Manövern beobachten sollten, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass diese aus Fortnite stammen. Fortnite ist nämlich nicht mehr nur reines Spiel, sondern ein Sammelplatz für Leute, um sich zu unterhalten. Anstatt im Einkaufszentrum oder an der Tankstelle trifft man sich virtuell. Die Tatsache, dass Fortnite auch auf dem Handy verfügbar ist, erleichtert das enorm. Mehr als 200 Millionen registrierte Nutzer zählt das Spiel, Tendenz stark steigend. Deutlich mehr als Netflix, das kürzlich 139 Millionen zahlende Abonnenten erreichte.
Netflix-CEO Reed Hastings sieht daher seine größten Wettbewerber nicht im Streaming-Bereich, sondern bei Fortnite und Co: "Wir stehen mit Fortnite in größerer Konkurrenz als mit HBO", ließ Netflix seine Aktieninhaber in einem Brief wissen. Auch die direkte Konkurrenz zu YouTube wurde herausgestrichen: "Als YouTube im Oktober ein paar Minuten nicht erreichbar war, schossen Seherzahlen und neue Mitgliedschaften rapide in die Höhe."
Kampf ums Vakuum
Der Kampf um das Vakuum, das das traditionelle Fernsehen bei vielen Nutzern hinterlassen hat, ist unerbittlich. Auch Neueinsteiger können ganz schnell groß werden, wie etwa Sport-Streaming-Anbieter DAZN, der dank viel Kapital innerhalb kürzester Zeit zur wichtigsten Anlaufstelle für Sportfans aller Art geworden ist. So schreibt auch Hastings in seinem Brief an die Aktionäre: "Es gibt tausende Wettbewerber in diesem hoch fragmentierten Markt, die versuchen, die Konsumenten zu unterhalten. Der Markt bietet zudem einen einfachen Einstieg für neue Angebote, die tolle Unterhaltung bieten."
Im Zeitalter reduzierter Aufenthaltsspannen und stets verfügbarer Bildschirme ist die Konkurrenz knallhart. Denn der nächste Unterhaltungsanbieter ist, ganz wie früher die Fernsehsender, stets nur einen Klick entfernt.