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Schafe, Wölfe und eine Schaumrolle

Von Roswitha Fitzinger, 22. September 2018, 00:04 Uhr
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Bildergalerie Schafmusterung in Bad Goisern: Die besten Bilder
Bild: (Weihbold)

Nicht nur die Kühe müssen am Ende des Sommers von der Alm, sondern auch die Schafe. Doch welches gehört welchem Schafbauern? In Bad Goisern gibt es deshalb die Tradition der Schafmusterung. Ein spannender Tag für Tier und Besitzer, denn am Ende stellt sich die Frage: Sind auch alle Schäfchen da?

Zuerst durchbricht fernes Glockenbimmel die Stille, bevor ein herzhafter Juchitzer jeglichen Zweifel beseitigt: Es ist so weit. Sie sind im Anmarsch und nach wenigen Augenblicken am gegenüberliegenden Bergrücken auch erkennbar. Wie ein weißer Bandwurm schlängelt sich die Schafherde nach unten, wird jedoch immer wieder hinter Bäumen und unter Sträuchern unsichtbar.

Wurmartig winden sich auch noch morgendliche Nebelschleier durch Bad Goisern, während sich der Himmel hier auf 1240 Meter Seehöhe bereits wolkenlos zeigt. Auf der Hütteneckalm ist heute Schaftag oder Lampömusterung, wie die Goiserer sagen. Im urigen Alpengasthof Hütteneck sind die Vorbereitungen dafür im Laufen: Erdäpfel werden geschält, Schnitzel geklopft, die Semmelknödel harren rund und glänzend ihrer Bestimmung. Gäste, Schafbauern und auch Wanderer wollen schließlich verköstigt werden.

Schafe, Wölfe und eine Schaumrolle
Nur das erste Schaf wird am Strick geführt, die anderen folgen freiwillig. Bild: Weihbold

"Juhuhuuuu", dringt es erneut vom Berg herunter. "Du musst einen Juchitzer zrucktuan", sagt Isabella Zeppetzauer. Sie kennt sich aus mit Schafen und der Tradition. Ihr Mann Andreas ist einer der Schafbauern und ein Schafler dazu. Ihm und Vereinsobmann Richard Gschwandtner haben 18 Goiserer Schafbauern ihre Tiere anvertraut. Von Juni bis September ziehen die Tiere im Gebiet Hütteneck, Raschberg, Vordersandling und Lambacherhütte umher. Zweimal wöchentlich bekommen sie Besuch von den Schaflern, die nachschauen, ob auch keines der Tiere verletzt oder krank ist. Sie werden gefüttert und auch gezählt, so weit das möglich ist.

Immer in Bewegung

"Zählen ist schwer, weil sie nicht immer alle beieinander sind, sondern in unterschiedlichen Gruppen herumwandern. Sie sind an einem Tag da und am nächsten wieder ganz woanders", sagt Isabella Zeppetzauer, die ihren Mann bei diesen Touren so oft wie möglich begleitet. "Schafe haben ihre Wege und Lieblingsplätze, die sie sich merken und zu denen sie immer gehen. Jeder Gruppe geht ein Schaf voran, und die anderen gehen hinterher." Außerdem können Schafe sehr zutraulich werden, verrät sie. Ob sie auch Namen haben? "Meine schon", sagt sie. Ob Lotte, Leo, Lisl, Hexe und Blöami (goiserisch für Blume) auch tatsächlich alle den Weg herunterfinden werden, kann sie nur hoffen. Gewissheit bringt erst die Musterung.

"Es kann sein, dass zwei oder drei Schafe fehlen", sagt sie. Ist das das Fall, werde am nächsten Tag nochmals ausgerückt. "Es hat auch schon Jahre gegeben, da hat man die fehlenden Schafe erst beim ersten Schnee gefunden. Manchmal bleibt ein Schaf auch für immer verschwunden, vor allem wenn es einzeln verloren geht."

Beim Abtrieb haben Andreas Zeppetzauer und Richard Gschwandtner Unterstützung von anderen Schafbauern. Bereits am Vortag sind sie aufgebrochen, um die Herde zu suchen und zusammenzutreiben. Auf dem Weg nach unten wurde auf der Lambacherhütte übernachtet. "Das ist reine Männersache. Da ist noch nie eine Frau dabei gewesen", sagt Isabella Zeppetzauer, die sich inzwischen in Gesellschaft anderer Schafbäuerinnen befinden. "Schau ma mal, wie fit sie heute sind", meint eine von ihnen und alle lachen wissend.

Am Ende geht alles schnell. Plötzlich sind sie da, die Herde taucht aus dem Wald hervor. "Da ist meine Lotte", ruft Isabella Zeppetzauer. Lotte geht den Tieren voran, sie wird als einziges am Strick geführt, die anderen trotten hinterher – weiße, braune, schwarze, auch zwei Widder sind darunter. Ob sie ihrer Bestimmung auch nachgekommen sind, wird sich in wenigen Wochen zeigen. Beinahe freudig stürmt die Herde auf den Pferch zu. Kaum zu glauben, dass früher auf der kleinen Fläche bis zu 200 Tiere Platz gefunden hatten. Doch diese Zeiten sind längst vorbei. "Früher brauchten die Bauern ihre Wiesen im Tal für die Kühe, die Schafe wurden deshalb auf die Alm gebracht. Heute haben viele Bauern keine Kühe mehr, die Schafe werden unten gekoppelt", erklärt Zeppetzauer, warum die Zahl der Schafe auf der Alm stetig sinkt. In diesem Jahr waren es 74.

Schafe, Wölfe und eine Schaumrolle
Schafler und Schaflerin: Andreas und Isabella Zeppetzauer Bild: Volker Weihbold

Kaum im Pferch, strecken die Söckelbären ihre Köpfe zwischen den Holzlatten durch, gierig nach Futter. Die Streicheleinheiten gibt es als Draufgabe. "He, der frisst mir aus der Hosntoschn", mokiert sich prompt ein Zaungast. Ein anderer ist auf der Suche nach einem ganz bestimmten Schaf: "Schaumrolle, wo bist du??!!!", ruft der junge Mann in die Runde und erntet Gelächter, als er auf das weiße Pummelchen deutet. Schafler und Schafbauern genehmigen sich derweil in aller Ruhe ein Bier. Der Schmäh rennt, aber auch ein anderer Vierbeiner beschäftigt die Schafbauern. "Wenn der Wolf auch zu uns kommt, können wir aufhören", ist immer wieder zu hören. Doch noch sind es nur die Männer, die einen Mordshunger haben. Oben auf der Hütteneck, dem Gasthof von Karin und Dominik Peinsteiner, werden sie bestens versorgt – mit Schnitzel und Gulasch vom Almochsen etwa. Während die Musi spielt, macht auch Hochprozentiges die Runde.

Schafe, Wölfe und eine Schaumrolle
Ab nach Hause. Die Freiheit des Sommers ist vorbei Bild: Volker Weihbold

"Goisern 241, Lasern 60 ..."

Als die Schafbauern sich erheben und zum Strick greifen, ist klar: Jetzt ist es so weit. "So ganz freiwillig gehn die Lampön dann doch nicht mit. Deshalb hat man an Strick und Brot dabei", sagt Isabella Zeppetzauer. In einer kleinen Hütte beim Pferch sitzt auch schon Erwin Engleitner, Schriftführer und Ausschreier. Er ist der, der Schafe und Besitzer zusammenbringt. Auf einer Metallplakette am Ohr der Tiere ist die Adresse der Schafbauern eingestanzt. So bereitwillig die Schafe vorher in den Verschlag gelaufen sind, so störrisch geben sie sich jetzt. Die Männer haben alle Hände voll zu tun, zerren und ziehen die Tiere zum Ausgang, so manches bockige Schaf muss sogar getragen werden.

 

"Goisern 241", schreit Engleitner. Ein Schaf nach dem anderen wird abgeholt, während die Herde in Geblöke verfällt, das wie Unmutsschreie anmutet. Doch Erwin Engleitner kennt kein Erbarmen: "Herndl 27", "Stambach 32", "Lasern 60", schreit er, und ein Schaf nach dem anderen wird abgeholt. Die Herde im Pferch wird schnell kleiner. "Host scho olle?", fragt ein Schafbauer den anderen. Bei den meisten fehlt nur noch eines. Die Spannung steigt. Sind auch alle da? Am Ende ist eines abgängig. Das ist wahrscheinlich irgendwo reingefallen oder gestorben, wird vermutet. Gesucht wird es nicht, aber hoffentlich gefunden.

Leo, Lotte, Blöami, Hexe und Lisl, die Zeppetzauer’sche Schafherde ist dagegen komplett. Gemeinsam mit Schafler und Schaflerin geht es zu Fuß ins Tal. Bis zum nächsten Sommer dann ...

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3  Kommentare
3  Kommentare
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Andi5 (5 Kommentare)
am 23.09.2018 21:44

Einerseits sind diese Traditionen eine kulturelle Bereicherung meiner Meinung nach.
Wenn man es ganz nüchtern betrachtet muss man sich fragen:Warum wurde der Wolf ausgerottet? Weil die Ausfälle wenn ein Wolf ein Schaf reißt in unserer modernen Gesellschaft nicht annehmbar sind.
Das Bild der intakten Natur mit Wölfen oder auch Bären ist mit unserer heutigen Gesellschaft nur vereinbar wenn man Rahmenbedingen schafft wie es beispielsweise Slowenien macht. Eine der größten Bärenpopulationen Europas zu garantieren ist nur möglich wenn die Behörden und die Bevölkerung mitziehen.
Ausfälle durch Wildtiere werden ersetzt, elektr. Zaunvorrichtungen zu 80% finanziert, es gibt "Bärenbeauftragte" die den ständigen Dialog mit der ansäßigen Bevölkerung forciert, Müllplätze werden eingezäunt.
Fazit: Es ist möglich!

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il-capone (10.334 Kommentare)
am 23.09.2018 12:20

Und wenn der Wolf kommt ...

... dann werden die Touristiker den Hüttengästen zwingend Sensenmähkurse anbieten müssen. Dengeln gehört dann auch dazu. Schichtbetrieb ist von vorneherein vorgesehen.
;)
Ein Teil wird Holzknechte, damit die Aussichtsgeniesser vor lauten Fichten den Fernblick nicht verlieren. 👓
Soviele Karpaten-Rumänen kann man gar nicht einstellen, um den Schafen einen Begleitschutz bereitzustellen.
Diskonterpreise wirds dann nicht mehr geben ...

Im übrigen hat sich die Verwandtschaft beschwert, dass es am Sartein so sehr nach Schafdung stinkt ... grinsen

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lndsmdk (17.215 Kommentare)
am 23.09.2018 13:17

-> den Geruch der Heimat musst du lieben - alles muss so bleiben wie es immer war

-> wieso digitalisieren sie die Almen nicht oder setzen Drohnen zum Schaf suchen ein - die wollen gestrig bleiben

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