Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

gemerkt
merken
teilen

21+3 Frauen und ein Thema

Von Roswitha Fitzinger, 16. März 2019, 13:53 Uhr
Sie weiß, was sie will
Claudia Schwarz wurde mit Down-Syndrom geboren Bild: Antje Wolm

Down-Syndrom: Ob als Mütter, im Beruf oder als Trägerin – das dreifach vorhandene 21. Chromosom verbindet sie. 24 Frauen erzählen in Bildern und Worten ihre Geschichten. Roswitha Fitzinger hat mit einigen von ihnen über ihren Alltag, ihre Sorgen und Erfahrungen gesprochen.

Sie weiß, was sie will

Claudia Schwarz wurde mit Down-Syndrom geboren.

Ich habe Rhythmus im Blut und mache gute Laune, sagen meine Freunde. Die neue Arbeit mag ich: kochen, weben und für Biohort einpacken. Ich lebe in einer Wohngruppe und fahre alleine mit dem Bus in die Arbeit. Ich lese viel, liebe Musik und Tanzen und gemütlich machen", sagt Claudia. Die 30-Jährige weiß, was sie will – und was nicht. Bewegung etwa gehört nicht zu ihren Lieblingsbeschäftigungen. "Mama, mein Körper. Meine Entscheidung. Geh du", bekommt Ulrike Schwarz zu hören, wenn sie Claudia zu einer Runde im Freien bewegen möchte.

Aber auch in anderer Hinsicht haben beide einen langen Weg hinter sich, gemeinsam vieles "gut gemeistert", wie die 60-Jährige rückblickend sagt. Ein gutes Leben sei möglich, aber zu einer inklusiven Gesellschaft sei es noch weit. Sie weiß, woran es hapert. "Es gibt keine Ausbildung für behinderte Menschen. Wenn sie mit 15 aus der Schule kommen, sind sie noch nicht so weit, um eine Lehre beginnen zu können." Am schwierigsten jedoch sei es, am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Obwohl Claudia 38 Stunden in einer Behinderten-Werkstätte arbeitet, gibt es lediglich Taschengeld, pensions- und krankenversichert ist sie nicht. "Dass eine gesetzliche Absicherung fehlt, belastet am meisten", sagt Ulrike Schwarz: "Ich bin ein Leben lang für meine Tochter von 30 Jahren zuständig." Claudia habe viel gelernt, könne lesen, auch sinnerfassend lesen, schreiben und rechnen. Trotzdem müsse sie immer dahinter sein, damit ihre Tochter all das Angeeignete nicht wieder verlernt.

 

Die Intoleranz ist teils frustrierend

Martina Herrnhof, Juristin und dreifache Mutter – Ihr Sohn Maximilian hat Down-Syndrom.

Es ist die Unwissenheit und die vielfach damit einhergehende Intoleranz gegenüber Menschen mit Down-Syndrom, die Martina Herrnhof ärgern und zu schaffen machen. Ihr Zweitgeborener Maximilian kam vor neun Jahren mit Trisomie 21 auf die Welt. „Viele Symptome und Verhaltensauffälligkeiten des Down-Syndroms werden in der Öffentlichkeit als Erziehungsfehler abgetan, “, sagt die 41-jährige Juristin. Schwierigkeiten in der Feinmotorik etwa führten dazu, dass Kinder mit Down-Syndrom nicht „so schön“ essen. Darüber hinaus würden sie im Alter zwischen 4 und 12 Jahren gerne auf Entdeckungstour gehen. Verhaltensweisen, die von Außenstehenden häufig als mangelnde Konsequenz in der Erziehung kritisiert werden.

Die Intoleranz ist teils frustrierend
Martina Herrnhof, Juristin und dreifache Mutter – Ihr Sohn Maximilian hat Down-Syndrom Bild: Antje Wolm

„Dabei sollte die Gesellschaft eigentlich so weit sein, Kindern mit Beeinträchtigungen gegenüber toleranter zu sein“, sagt Herrnhof. Doch das sei nicht der Fall – großteils aus Unwissenheit, aber auch aus einer fehlenden Bereitschaft, sich dieses Wissen anzueignen. „Es wird lieber schnell geurteilt.“ Dabei hat Maxi, wie der Neunjährige von allen, die ihn kennen, genannt wird, seinen Gschwistern (12 und 5) einiges voraus. Er sei in vielen Bereichen lustiger, auch reifer für sein Alter, sagt seine Mutter: „Und er hat keinen Frust, wenn er materielle Dinge nicht erhält. Wenn zu Weihnachten kein Geschenk unterm Baum liegen würde, es würde ihm nichts ausmachen.“ Maxi sei kein Kind, das jeden anlächle, „aber einen grantigen Maxi gibt es selten“.

 

Eine bewusste Entscheidung dafür

Marion Heimeder: Sohn Dominik kam nach dem Fotoshooting zur Welt.

Die Nackenfalte zeigte keine gravierenden Auffälligkeiten, der Ultraschall ebenfalls nicht. Die pränatale Diagnostik war ein altersbedingtes „Machen wir halt“ und „Wird schon nichts sein“. Doch dann war doch etwas. Die Diagnose war ein Schock, der Abbruchtermin wurde eingeholt, doch dann kam das Wochenende. „Ich habe das Szenario durchgespielt. Du musst aktiv den Stecker ziehen, und ich wusste: Das kann ich nicht. Er hat es sich nicht ausgesucht, wir haben es uns nicht ausgesucht, und er ist trotzdem unser Kind“, erinnert sich die 40-Jährige an den Entscheidungsprozess. Auch ihr Mann reagierte erleichtert. „Ich hab richtig gemerkt, wie eine Last von ihm abfällt. Es ist wichtig, dass beide die Entscheidung tragen. Ob man das Kind kriegt oder nicht, du bist drin in der Nummer, kannst sie nicht abschütteln wie einen nassen Hut.“

Eine bewusste Entscheidung dafür
Marion Heimeder: Sohn Dominik kam nach dem Fotoshooting zur Welt Bild: Antje Wolm

Dennoch: Neun von zehn Paaren entscheiden sich bei Trisomie 21 für einen Abbruch, der frühestens drei Tage nach der verpflichtenden Beratung möglich ist. Eine zu kurze Zeitspanne, wie Marion Heimeder findet: „Mindestens eine Woche verpflichtende Überlegungszeit wäre notwendig, um sich ausreichend informieren, beraten zu lassen und mit anderen Eltern Kontakt herstellen zu können. Das hat mir sehr geholfen.“ Überhaupt rät sie betroffenen Eltern, die Entscheidung nicht zu überstürzen.

„Es mag komisch klingen, aber die Verbindung zu meinem Kind in meinem Bauch, die mit der Diagnose schlagartig verschwunden war, war nach der Entscheidung plötzlich wieder da, als hätte sich ein Schalter umgelegt. Er hat mir oft signalisiert: ,Das wird schon. Ich mach das schon’. Und so war es auch.“ Dominik erwies sich als Kämpfer, er kam am 24. Jänner zur Welt. Es war es ein turbulenter Start ins Leben. Zusätzlich zu einem bei Kindern mit Down-Syndrom typischen Herzfehler macht eine Gefäßverengung eine zusätzliche Operation notwendig. Nach vierwöchiger Intensivstation sind Marion und ihr Sohn nun seit zwei Wochen daheim. Auch wenn noch viele Herausforderungen warten, ist sie sicher: „Für uns war es definitiv die richtige Entscheidung.“

 

Kinder mit Down-Syndrom machen unsere Einrichtung bunter

Maria Mitterlehner leitet den integrativen, heilpädagogischen Hort St. Isidor.

Kinder mit Trisomie 21 brauchen Zeit, Geduld, Zuversicht, Vertrauen, ein Gefühl des Angenommenseins und einen würdevollen Umgang – so wie jedes andere Kind eben auch. Dann entwickeln sie sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten ganz wunderbar und ganz“, sagt Maria Mitterlehner. Die 37-Jährige arbeitet seit knapp 20 Jahren im heilpädagogischen Hort St. Isidor. Während in ihren Anfangsjahren keine Kinder mit Down-Syndrom in der integrativen Einrichtung betreut worden seien, sei die Zahl nun deutlich gestiegen. „Viele Eltern entscheiden sich bewusst gegen eine pränatale Diagnostik und damit für ein Kind mit Trisomie 21“, schlussfolgert die Mühlviertlerin.

Kinder mit Down-Syndrom machen unsere Einrichtung bunter
Maria Mitterlehner Bild: Antje Wolm

Jedes Kind sei ein Überraschungspaket, aber „Kinder mit Down-Syndrom sind ein noch viel größeres Überraschungspaket“, sagt sie. Obwohl es auch bei diesen Kindern eine große Vielfalt gebe, würden einige (Wesens-)Eigenschaften besonders hervorstechen. „Kinder mit Trisomie 21 sind sehr visuelle Typen und leben total im Jetzt. Sie sind viel direkter und offener in der Kommunikation, außerdem offen, herzlich, willensstark und liebevoll. Sie machen unsere Einrichtung lebendiger und bunter.“

 

Das Projekt zum Welt-Down-Syndrom-Tag

Die Fotoausstellung: „Anlässlich des Welt-Down-Syndrom-Tages am 21. März gibt es immer wieder Ausstellungen mit Kindern. Wir wollten noch eine andere Seite zeigen“, sagt Nina Theiss-Laubscher vom Familiennetzwerk Down-Syndrom. Es ist der Blickwinkel von 24 Frauen, die in unterschiedlicher Weise von der Diagnose Down-Syndrom betroffen sind. In Form von Bildern und Zitaten erzählen sie ihre Erfahrungen in der Ausstellung „21 + 3 ... vierundzwanzig Frauen, ein Thema“.

Ausstellungsorte: Die Vernissage von „21 + 3 ... vierundzwanzig Frauen, ein Thema“ findet am Freitag,
29. März, um 17 Uhr im Foyer des Alten Rathauses am Hauptplatz in Linz statt. Dort werden die Fotos eine Woche zu sehen sein. Im Anschluss an die Ausstellung im Magistrat werden die Bilder im BBRZ in Linz in der Muldenstraße 5 zu sehen sein (5. – 24. April). Anschließend ist eine Wanderausstellung an verschiedenen Orten geplant. Infos dazu finden sich auf der Homepage des Familiennetzwerkes. www.familiennetzwerk-down-syndrom.at
Der Ausstellungstitel leitet sich zum einen von der Diagnose Trisomie 21 her, zum anderen bezieht er sich auf 21 Frauen, die Mütter von Menschen mit Down-Syndrom sind oder diese in Beruf und Freizeit begleiten, sowie drei Frauen, die mit Trisomie 21 leben.

Das Familiennetzwerk: Das Familiennetzwerk wurde im März 2013 als Elterninitiative gegründet, um österreichweit betroffene Familien, andere Elterninitiativen und Institutionen miteinander zu vernetzen, um Eltern und Angehörige von Menschen mit Down-Syndrom zu unterstützen. „Wir bieten telefonische wie auch persönliche Beratung und Unterstützung, eine wohnortsnahe Vernetzung von Familien, Down-Syndrom-Gruppen, Einrichtungen und Ärzten, eine unkomplizierte, unbürokratische Soforthilfe in Form einer begleiteten österreichischen Down-Syndrom-Selbsthilfe-Online-Plattform und eine Zusammenarbeit mit Krankenhäusern, pränatal diagnostischen Ambulanzen, Gynäkologen, sowie regelmäßige Treffen, Veranstaltungen, Vorträge und Ausflüge“, sagt Obfrau Ursula Fehringer.

Die Fotografin: Antje Wolm ist gebürtige Berlinerin, die seit zehn Jahren in Linz lebt und sich auf Frauenfotografie spezialisiert hat. Sie war besonders von der Offenheit der Menschen mit Down-Syndrom fasziniert. „Sie kennen keine Selbstzweifel. Was wir auch tun sollten, haben sie in sich drin. Sie akzeptieren sich, wie sie sind.“ www.antjewolm.at

 

 

 

 

mehr aus Spezial

Online-Abschlussveranstaltung des OÖN-Börsespiels 2021

Schwammerl: Zwischen Genuss und Gefahr

Die Rückkehr der Wildtiere

Forum für pflegende Angehörige: Diskussion und Tipps zu Recht, Finanzen und Alltag

Lädt

info Mit dem Klick auf das Icon fügen Sie das Schlagwort zu Ihren Themen hinzu.

info Mit dem Klick auf das Icon öffnen Sie Ihre "meine Themen" Seite. Sie haben von 15 Schlagworten gespeichert und müssten Schlagworte entfernen.

info Mit dem Klick auf das Icon entfernen Sie das Schlagwort aus Ihren Themen.

Fügen Sie das Thema zu Ihren Themen hinzu.

0  Kommentare
0  Kommentare
Zu diesem Thema wurden noch keine Kommentare geschrieben.
Neueste zuerst Älteste zuerst Beste Bewertung
Aktuelle Meldungen