Andrew Brunson: Der Pastor zwischen den Fronten
Er wollte immer nur missionieren. Sonst nichts. Vor mehr als 20 Jahren ist der unscheinbare US-Pastor deswegen in die Türkei gezogen.
In der westtürkischen Küstenstadt Izmir betreute er eine kleine evangelisch-presbyterianische Gemeinde, die nur ein paar Dutzend Mitglieder umfasste, betete und niemanden störte. Doch plötzlich ist der tiefgläubige Andrew Brunson zum Spielball der Weltpolitik geworden. Der 50-jährige Amerikaner steht im Mittelpunkt des Kräftemessens zwischen den beiden Nato-Partnern USA und Türkei, das sich zu einem Wirtschaftskrieg mit unabsehbaren Folgen auswachsen könnte.
Dass in der Türkei 99 Prozent der Menschen muslimischen Glaubens sind, störte den Pastor aus North Carolina nicht. Im Gegenteil: "Es ist das Lebenswerk meines Vaters, die Menschen zu lieben und ihnen zu helfen. Er hatte nicht vor, die Türkei je wieder zu verlassen", sagt auch seine 19-jährige Tochter Jacqueline. Bis 2016 lebte Brunson mit seiner Gattin und den drei Kindern völlig legal in der Türkei. Obwohl die Behörden Missionare nicht gern sahen, hatte er eine Arbeitsgenehmigung.
Doch der Putsch 2016 änderte alles. Als Brunson routinemäßig sein Visum verlängern wollte, wurde er wie tausend andere Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes verhaftet. Erst nach wochenlanger Einzelhaft stand die Anklage fest: Brunson soll Mitglied von Terrororganisationen gewesen sein. Er wird beschuldigt, die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans PKK sowie die Bewegung des islamistischen Predigers Fethullah Gülen unterstützt zu haben – Vorwürfe, für die es keinerlei Beweise gibt und daher die Evangelikalen in den USA massiv empören. Und da die konservativen Presbyterianer eine wichtige Wählerschicht für die Republikaner sind, kämpft nun US-Präsident Trump für Brunsons Freilassung. Dummerweise missbraucht auch der türkische Präsident den US-Pastor für seine Ziele. Erdogan spekuliert auf ein Tauschgeschäft: Brunson soll nur dann freikommen, wenn die USA seinen Erzfeind Gülen ausliefern. Ein Kompromiss ist nicht in Sicht.