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Karfreitag: Die göttliche Torheit

Von Gerold Lehner, 19. April 2019, 00:04 Uhr
Karfreitag: Die göttliche Torheit
Das Graffito, gefunden in Räumen am Palatin, dem ältesten besiedelten Hügel Roms

Wem wollen wir folgen? Den triumphierenden Caesaren oder dem Mann aus Nazareth? Gerold Lehner über die Geschichten, die der Karfreitag erzählt.

Als man um 1850 am Palatin, dem ältesten besiedelten Hügel Roms, Ausgrabungen durchführt, da gräbt man auch Räume aus, in denen Diener für die Arbeit im kaiserlichen Palast untergebracht waren. An der Wand eines Raumes hat man ein höchst merkwürdiges Graffito gefunden: Zu sehen ist ein Kreuz, an dem eine Figur hängt, mit dem Rücken zum Betrachter gezeichnet. Eine menschliche Figur, aber mit einem Eselskopf. Links daneben befindet sich die Zeichnung eines jungen Mannes, der seine rechte Hand zum ehrenden Gruß gegen die Gestalt am Kreuz erhoben hat. Und darunter befindet sich eine gekritzelte Inschrift: "Alexamenos verehrt seinen Gott".

Es handelt sich um eine Spottinschrift auf das Christentum vor uns, eine Kritzelei, die sich nicht darauf beschränkt festzuhalten, "Alexamenos ist ein Idiot", sondern eine, die zugleich bissig und hellsichtig den Kern seines Glaubens trifft: Alexamenos ist Christ. Und weil er Christ ist, ist er ein Idiot, denn die Christen glauben an einen Gott, der am Kreuz hingerichtet wurde – ein solcher Gott kann nur ein Esel sein!

Für einen Römer, und noch dazu einen aus dem kaiserlichen Palast, musste allein die Geschichte von dem "König", der auf einem Esel in die Stadt einzieht, wie eine geschmacklose Absurdität wirken, mit der sich dieser Glaube selbst richtete. Denn wenn man als römischer Bürger eines kannte, dann war es der triumphale Einzug der Kaiser nach gewonnener Schlacht, den Triumphzug. Der Kaiser zog mit einem Streitwagen ein, gezogen von Pferden und gefolgt von den Kriegsgefangenen, den Besiegten und der Beute. Dem Sieger wurde "Heil" zugerufen. Das war ein Anblick, der die Herzen höher schlagen ließ und der einen der eigenen Größe, Macht und Stärke versicherte: Rom war noch immer die Beherrscherin der Welt, und die Kaiser waren Imperatoren, nahe den Göttern.

... oder eine Frage?

Damit ist eine Frage gestellt, die bis heute nichts von ihrer Brisanz eingebüßt hat: Welchen Weg wollen wir gehen, in Bezug auf unser Verhältnis zu dieser Welt und unter uns Menschen? Den Weg der Macht, oder jenen der Ohnmacht? Den Weg der Herrschaft oder des Dienens? Wollen wir schauen, dass wir nach oben kommen, oder sind wir bereit, uns der Not der Menschen und der Welt zuzuwenden? Wem wollen wir folgen, den triumphierenden Caesaren oder dem Mann aus Nazareth? Wer den Karfreitag feiert und den Weg Jesu lebt, der lebt einen Widerspruch zu vielem, was heute Gültigkeit beansprucht.

Dieser Widerspruch aber ist nötig, sollen die Menschen und die Welt nicht unter die Räuber fallen. Nicht die Plünderer brauchen wir, sondern jene, die sich in der Nachfolge Jesu bücken und sich der Not annehmen, wo sie ihnen begegnet. So wie es der barmherzige Samariter getan hat. Im Übrigen eine Geschichte, die der Mann am Kreuz erzählt hat.

Karfreitag als Konflikt

Der Karfreitag ist Teil einer konkreten Geschichte, und das Kreuz ist jenes, an dem eine bestimmte Person hängt und stirbt. Wenn das Kreuz zum Symbol wird, dann immer zum Symbol für Jesus Christus, sein Leben, seine Botschaft, seinen Tod.

Wer das Kreuz zu einem allgemeinen Symbol stilisiert, der entleert es. Es gewinnt seinen Inhalt und seine Brisanz mit der Person, die an ihm hängt. Der Karfreitag erzählt zunächst eine Konfliktgeschichte: Jesus von Nazareth tritt im Gestus einer prophetischen Gestalt auf. Er ruft zur Umkehr aus der Gottvergessenheit, er spricht von der Gegenwart Gottes unter den Menschen, er berührt die Herzen der Menschen, er heilt Menschen – und er erfährt Widerstand. Er gehört zu keiner Schule, ist nicht Teil der Hierarchie, hat keine Legitimation. Er übertritt Grenzen. Damit bringt er die religiöse Hierarchie gegen sich auf. Als er, von der Menge gefeiert, in Jerusalem einzieht, ist auch die politische Elite und die Besatzungsmacht der Römer alarmiert.

Als diese sich zusammentun, wendet sich auch die Stimmung im Volk. Verraten von einem aus seinem engsten Kreis, verlassen von den anderen, wird er hingerichtet und stirbt vor den Toren der Stadt.

Die Tiefendimension

Der Karfreitag erzählt aber noch eine andere Geschichte. Und diese ist nicht an der Oberfläche zu finden. Christen glauben, dass in Jesus von Nazareth Gott Mensch geworden ist und den Weg zu den Menschen beschritten hat. Christen glauben an Gottes Sohn, der seine Allmacht ablegt, der sich selbst aufgibt und hingibt, sich auf den Menschen hin überschreitet. Er ist das menschgewordene Herz Gottes. Er heilt, wo Menschen zerbrochen sind. Er geht dorthin, wo Menschen in die Selbsterniedrigung abgeglitten sind. Dorthin, wo die Not ist, die stille Verzweiflung, dorthin, wo Menschen hinter ihren Masken leiden.

Dort bringt er Befreiung, Erlösung, weil sich in der Begegnung mit ihm tatsächlich Erlösung ereignet, Versöhnung und Umkehr. Er beschönigt keine Fehler und er verkleinert weder Ungerechtigkeit noch Schuld. Aber er zeigt einen Weg heraus, und er reicht dazu die Hand.

Hart ist er dort, wo die Menschen sich als gerecht gebärden und es nicht sind. Wo sie religiös agieren, aber Gott für ihre Selbstgerechtigkeit gebrauchen. Mit ihnen geht er ins Gericht. Denn der Weg zur Heilung führt über die Einsicht, krank zu sein. Wer seine Krankheit verleugnet, kann nicht heil werden, wer sich nicht zu seiner Schuld bekennt, der erfährt nicht die Befreiung der Vergebung.

Auch dort, wo er hart ist, ist er es aus Liebe, um die Menschen zum Leben zu erwecken. Er hat von sich gesagt: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben. Das haben viele nicht ausgehalten. Und am Ende haben sie sich alle abgewandt. Statt umzukehren, wollten sie in Ruhe gelassen werden. Und weil dieser menschgewordene Gott sie nicht in Ruhe ließ, haben sie ihn beseitigt. Und selbst da hat er sich nicht abgewandt: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.

Brücke ins Morgen

Feiertage haben einen Inhalt. Sie beziehen sich auf Ereignisse, die wir als bedeutsam erachten. So bedeutsam, dass wir sie begehen, weil sie uns an unser Herkommen erinnern, daran, wer wir sind und wer wir sein wollen. Sie haben nicht nur einen Vergangenheitsbezug, sondern Orientierungsfunktion für heute und morgen.

Schon unsere Alltagskultur mit dem Sonntag ist davon geprägt. Sonntag ist jener Tag, sich daran zu erinnern, woher wir kommen, dass unser Leben eine Gabe ist, und unser Handeln eines in Verantwortung vor dem, der diese Welt und uns ins Dasein gerufen hat. Eine säkulare Kultur kann die Feiertagsstruktur übernehmen, aber nur mehr begrenzt mit Sinn füllen. Der Feiertag wird zur Freizeit. Diese ist definiert durch die Freiheit von der Arbeit, stellt aber keinen Referenzpunkt mehr zur Verfügung, wofür wir denn nun frei sind.

Die Feiertage verlieren ihre Orientierungsfunktion. Damit ist ein gesellschaftlicher Verlust verbunden. Uns kommen jene Orte abhanden, die uns inmitten eines uns immer stärker beanspruchenden Alltags die Möglichkeit geben, grundlegende Fragen unserer Existenz und unserer Zukunft zu bedenken. Der Karfreitag stellt eine solche elementare Frage dar. Wir sollten uns die Zeit nehmen, uns ihr zu stellen.

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14  Kommentare
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LASimon (11.235 Kommentare)
am 19.04.2019 12:29

"das wurde von den Juden als Ketzerei gesehen". Nein, nicht von DEN JUDEN. Von den Vertretern der jüdischen Religionshierarchie, den Propagandisten eines Buchstabenglaubens, einer durchnormierten Religion, der damit das Wesen (und das Wesentliche) abhandengekommen war. (Kommt uns das nicht irgendwie bekannt vor?)
Jesus verändert nichts an dieser Religion, aber er stellt ihr eine "Generalnorm" vor: "Du sollst Gott .. lieben von ganzem Herzen ... und Deinen Nächsten wie Dich selbst."
Und er macht klar, dass man sich "den Himmel" nicht verdienen, nicht erkaufen kann: weder materiell noch durch die lückenlose Befolgung der Gebote.

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Christian090676 (2.112 Kommentare)
am 19.04.2019 22:19

Diese Juden glaubten an Moses und seine Wunder. Jesus vollbrachte grössere Wunder und sie bekamen es mit und trotzdem lehnten sie Jesus ab.

Heute gibt es auch diese Wunder an den katholischen Wallfahrtsstätten und es gibt katholische Priester und vorallem evangelische Priester, die nicht an die Wunder glauben, weil die Muttergottes hier erschienen ist.

Aber an die Worte der Bibel und seine Wunder glauben sie.

Heute ist es folglich nicht anders als damals vor 2000 Jahren.

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Christian090676 (2.112 Kommentare)
am 19.04.2019 22:40

Wenn die Gebote keinen Sinn hätten, würden sie nicht in der Bibel stehen.

Ich glaube, diese Generalnorm ist eine Zusammenfassung der 10 Gebote, die ersten 3 Gebote betreffen Gott, die anderen 7 Gebote den Nächsten.

Die Gebote helfen einen dabei, das man zum Himmel geführt wird. Das kann auch ein ziemlich langer Weg sein, mehr als 100 bzw. 1000 Jahre, glaube ich.

Darum bedarf es der Barmherzigkeit Gottes, weil Menschen eben nicht lückenlos die Gebote befolgen, glaube ich.

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Gugelbua (31.906 Kommentare)
am 19.04.2019 10:12

die christlich katholische Priesterschaft hat da eine schöne Geschichte konstruiert um das heidnische Osterfest den Menschen als ihr göttliches Werk einzutrichtern, mehr ist wirklich nicht dahinter grinsen

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Christian090676 (2.112 Kommentare)
am 19.04.2019 22:08

Rita Tassone, die noch lebt und die gelähmt war, sah Jesus und Maria in Scoglio bei Fratel Cosimo, und dann ist sie aufgestanden.

Gemma di Giorgi war blind und hat keine Pupillen und kann normal sehen seit sie bei einem Jünger Jesu war. Sie hat immer noch keine Pupillen und kann normal sehen.

Jesus hat das angekündigt, das er das Werk zu Ende bringt. Er hält sich daran, die Wunder zeigen dies.

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decordoba (3.803 Kommentare)
am 19.04.2019 09:33

Ich tu mich da leicht, mit diesem Widerspruch umzugehen, weil ich von der Gesinnung her ein Atheist bin. Ich bin Katholik in dem Sinne, dass ich die Kirchensteuer zahle (ohne Angabe von Gründen).
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Ich glaube voll und ganz, dass der Jesus in Jerusalem gekreuzigt worden ist. Er hat die Jüdische Religion "verändert" - mit seinen Aussagen und Forderungen. Das war anscheinend ein todeswürdiges Verbrechen - das wurde von den Juden als Ketzerei gesehen.
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Ich glauben aber nicht, dass es real einen Gott gibt. Es gibt keinen Gottvater mit dem Rauschebart auf der Wolke im Himmel. Es gab den Jesus, der aber nicht Gott ist, indem es keinen Gott gibt. Es gibt noch den Heiligen Geist; es ist ein Frevel, was sie der Maria angedichtet haben. Das ist so wie bei den Alten Griechen die Leda mit dem Schwan.

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xerMandi (2.161 Kommentare)
am 19.04.2019 12:00

Dass eine ledige, in einer restriktiven, rückständigen Gesellschaft lebende Frau schwanger wird, aber nicht werden sollte, und dann haarsträubende Geschichten zur Erklärung erzählt, hat es sicher schon oft gegeben. Aber nicht alle Geschichten werden so lange überliefert. grinsen

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tacitus (4.799 Kommentare)
am 19.04.2019 15:54

@dacordoba:
gibt es einen Gott? nein sicher nicht, gott gibt es nicht wie einen Tisch oder ein Buch! Existiert GoTT ? wir ahnen es, glauben es vielleicht, aber die Grenze zu Gott ist undurchlässig.oder sehr löchrig.die grenze zu einer katze, Hund Giraffe ist auch sehr dicht wir ahnen, vermuten es, aber eine Kommunikation wie unter Menschen ist es nicht.so ähnlich ist die Begegnung mit Gott.

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Christian090676 (2.112 Kommentare)
am 19.04.2019 21:43

Auch das Doppelspaltexperiment hat einen unerklärbaren Widerspruch. Man sieht es, kann es jedoch nicht erklären.

Diesen Widerspruch in der Welt der Quanten beim Doppelspaltexperiment hat Gott geschaffen.

Der Mensch hat ein kleines Wissen und sogar wer sich als sehr gläubig bezeichnet ist kleingläubig.

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Christian090676 (2.112 Kommentare)
am 19.04.2019 21:52

Du hast die Kreuzigung bedacht, aber es gab eine Zeit vorher und nachher, da ist das Geschehen, was die Apostel dazu brachte, das Christentum zu verbreiten.

Jesus hat Tote aufgeweckt, Blinde geheilt, ... und ist dann auferstanden.

Und dann kam das Wunder mit Paulus. Und die Wunder nahmen kein Ende bis heute.

Gemma di Giorgi kann heute ohne Pupillen normal sehen, weil sie bei einem Apostel Christi namens Pater Pio war. Sie war vorher blind, jedoch seit sie ohne Pupillen sehen kann ist sie ein Widerspruch in den Augen der Menschen.

Das Christentum ist mehr als die Kreuzigung Jesu, die Kreuzigung war ein Zeichen von vielen Zeichen.

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sol3 (13.727 Kommentare)
am 19.04.2019 07:07

Fein geschrieben.

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vinzenz2015 (46.149 Kommentare)
am 19.04.2019 07:59

Warum??

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xerMandi (2.161 Kommentare)
am 19.04.2019 09:11

Weil es zu den Kernkompetenzen von Theologen gehört, ihre Botschaften in wohlgewählte Worte zu kleiden. Ob die Botschaft widersprüchlich, belanglos oder sonstwas ist, spielt dabei keine Rolle.

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decordoba (3.803 Kommentare)
am 19.04.2019 10:24

Meister des "Geschliffenen Wortes"

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