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Die Geschichte des Schmerzensmannes

Von Hannah Winkelbauer und Michael Wruss, 17. April 2019, 00:04 Uhr
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Bildergalerie Ostern: Die Passion in der Kunst
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Oster-Serie, Teil 3: Vom über den Tod erhabenen Gottessohn zum Helden mit menschlichem Antlitz: Die Darstellung der Leidensgeschichte Jesu in der Kunst hat sich im Lauf der Zeit verändert.

Die Passion, das lateinische Wort für "Leiden", steht in der Geschichte der Kunst für die Darstellung des Leidens und Sterbens Jesu. In der Geschichte der Malerei wurde die Leidensgeschichte meist als Zyklus in mehreren Szenen dargestellt. Die Abbildungen, die Sie oben sehen, sind Beispiele für die Kreuzwegstationen, wie sie unterschiedliche Künstler in verschiedenen Epochen umsetzten. Manche Passionszyklen zeigen weniger Szenen, andere haben noch weitere Stationen. Im Lauf der Kunstgeschichte fand eine Entwicklung statt, im Zuge derer Jesus immer "menschlicher" dargestellt und sein Leiden auch für die Betrachter des Bildes spürbar und nachvollziehbar gemacht wurde.

Der erste monumentale Passionszyklus entstand um das Jahr 431 auf den Reliefs der Holztür von Santa Sabina in Rom, aus dem 6. Jahrhundert stammen die Mosaiken der Kirche Sant’Apollinare Nuovo in Ravenna.

Passionsdarstellungen gab es auch in der mittelalterlichen Buchmalerei, seit dem 12. Jahrhundert auf den Kapitellen von Kreuzgängen, und etwa auf den Fresken Giottos in der Arenakapelle in Padua, entstanden zwischen 1304 und 1313.

Passionsdarstellungen bestimmen von der Spätgotik an vor allem in Deutschland die Malerei. Auf Altartafeln des Spätmittelalters sind ausgewählte Szenen zu sehen, einer der berühmtesten ist der Kaisheimer Altar von Hans Holbein dem Älteren aus dem Jahr 1502. Seit dem 15. Jahrhundert erscheinen Passionszyklen auch in der Druckgrafik, etwa von Martin Schongauer, Albrecht Dürer und Lucas Cranach dem Älteren, die Jesus in der Abfolge dramatischer Szenen mit kraftvollem, emotionalen Ausdruck darstellten. Albrecht Dürers "Schmerzensmann" von 1492 ist eines der ersten Bilder eines sehr "menschlichen" Christus.

Davor, im frühen Mittelalter, waren die Darstellungen reduzierter und zeigten Jesus als jungen Mann, quasi erhaben über den Tod. Ab der Schaffenszeit von Künstlern wie Dürer, Cranach oder Schongauer ging es in der Malerei und Grafik um eine möglichst intensive Veranschaulichung des Leides. Aber bereits die um 1300 aufkommenden sogenannten Mystikerkruzifixe mit der Darstellung Jesu mit schmerzverzerrtem Antlitz sollten die Versenkung der Betenden in das Leiden des Heilands erleichtern.

In vielen Kirchen gibt es entsprechende Fresken, Fenster oder Flügelaltäre. Auf den Außenflügeln ist die Passion, innen oft der jugendliche Jesus zu sehen. Der 1513/1515 entstandene "Isenheimer Altar" von Matthias Grünewald gilt als eine der ergreifendsten Passionsdarstellungen. In der Renaissance- und Barockzeit änderte sich das religiöse Leben durch Reformation und Gegenreformation. Die Kunst wurde autonomer, Künstler schufen dramatische, theatralische Bilder. So etwa das Gemälde "Die Kreuzigung" von Jacopo Tintoretto aus dem Jahr 1566. Ebenfalls ein spektakuläres Passions-Gemälde der Renaissance ist die "Grablegung Christi" des einflussreichen italienischen Malers Caravaggio, das zwischen 1602 und 1604 entstand. Weitere bedeutende Passionsdarstellungen des 17. und 18. Jahrhunderts stammen von Rembrandt und Anton Raphael Mengs.

Die europäische Malerei war durch die kirchlichen Auftraggeber bis in die Neuzeit fast ausschließlich religiös geprägt, erst ab dem Spätmittelalter kamen "freiere" Motive wie Stillleben, Porträts oder Landschaften auf. Mit der Entstehung der Fotografie im 19. Jahrhundert musste sich die bildende Kunst überhaupt völlig neuen Herausforderungen stellen, Techniken wie Themen wurden revolutioniert. Unter anderem diese Entwicklungen trugen dazu bei, dass ab dem 19. und 20. Jahrhundert bis in die Gegenwart nur noch vereinzelt Szenen der Passion in der bildenden Kunst aufgegriffen wurden. Und wenn, dann mitunter aus dem religiösen Kontext genommen, wie etwa bei Elke Krystufek, die das Motiv des auferstandenen Jesus mit Dornenkrone verwendet, um Männlichkeitsbilder zu reflektieren.

 


Die Passion als musikalisches Kunstwerk

Der Bericht vom Leiden und Sterben Jesu Christi ist zentral für die Heilsgeschichte, denn durch den Tod am Kreuz erfüllt der Messias seine Mission und offenbart sich als Gottes Sohn. Schon in der Frühzeit der christlichen Kirchen nahm daher die Lesung der Passion einen bedeutsamen Platz in der Karfreitagsliturgie ein.

Ab dem 10. Jahrhundert ist die musikalische Darstellung gesichert. Dabei kam dem Evangelisten eine fließende Rezitation in mittlerer Höhe, den Jesusworten ein einprägsamer, die Aussagen mit tiefer Stimme darstellender Vortrag zu. Die hohen Stimmlagen sangen die Zwischenrufe der Masse (Turba). Diese Aufteilung in „Rollen“ blieb in den mehrstimmigen Formen erhalten, die ab dem 16. Jahrhundert vorwiegend in Italien entstanden. Im deutschen Sprachraum gibt es bis 1674 kaum Nachweise, und unter den wenigen katholische Passionsvertonungen zählen jene von Orlando di Lasso für den Münchner Hof zu den bedeutendsten. Das mag damit zusammenhängen, dass in der katholischen Kirche der Liturgie zum Karfreitag weniger Bedeutung als jener zur Osternacht, also der Auferstehung, beigemessen wird.

Die wirklich großen Passionen entstehen erst im Umkreis der protestantischen Kirche. Wesentlicher Unterschied ist die Sprache, die unmittelbar mit der Bibelübersetzung Luthers und der 1526 veröffentlichten deutschen Messe zusammenhängt. 1531 soll im Münster zu Straßburg erstmals eine deutsche Passion erklungen sein. Höhepunkte der Vokalpassion sind die Werke von Heinrich Schütz, in denen die Dramatik der letzten Stunden Jesu eindringlich inszeniert wird. Ab ca. 1700 kommen die ersten Passionsmusiken mit obligaten Instrumenten und opernhaften Elementen wie Rezitativen, Arien, Chören etc. Dazu zählen auch die Passionen Johann Sebastian Bachs und seiner Kantorenkollegen in ganz Deutschland, so etwa Carl Heinrich Grauns „Tod Jesu“, ein Werk, das sich bis weit ins 19. Jahrhundert größter Beliebtheit erfreute und Vorbild für Mendelssohns Oratorien war.

Neue Musik nach 1918

In der Romantik beschränkte man sich überwiegend darauf, die barocken Oratorien wie Bachs Matthäuspassion wiederaufzuführen. Erst nach dem Ersten Weltkrieg kam es wieder zu einem verstärkten Zulauf zu den Kirchen, und es gab vermehrt Anlässe, neue Musik dafür zu schreiben – auch Passionen. Eine der ersten und wichtigsten ist die Choralpassion von Hugo Distler (1932/33), die an die Tradition der responsorialen A-cappella-Passion anknüpft. Das zweite zentrale Werk des 20. Jahrhunderts ist die Lukaspassion von Krzystof Penderecki (1963/65), die mit Mitteln der Avantgarde das Leiden Jesu angesichts der Schrecken des Zweiten Weltkriegs auf eindringliche Weise nachzeichnet. Neue Akzente setzte das von der Bachakademie Stuttgart initiierte Musikfest „Passion 2000“, in dessen Rahmen die Passionen von Sofia Gubaidulina, Wolfgang Rihm, Osvaldo Golijov und Tan Dun uraufgeführt wurden. Zeit, wieder neue Passionen zu schreiben …
 

 

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Autorin
Hannah Winkelbauer
Redakteurin Kultur
Hannah Winkelbauer
Autor
Michael Wruss
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