Das falsche Konzert zum falschen Zeitpunkt
Brucknerhaus: Matinee mit dem Divertimento Viennese und Angelika Kirchschlager als Solistin.
Eigentlich war das Programm der gestrigen Sonntagsmatinee mit geschickt aufeinander abgestimmten Werken höchst interessant gestaltet. Aber es war das falsche Konzert zum falschen Zeitpunkt.
Das Matinee-Publikum ist nun einmal im Alter etwas fortgeschritten und einer Musik, die zwar auch schon bald 100 Jahre auf dem Buckel hat, gegenüber nicht so aufgeschlossen wie vielleicht einer romantischen Symphonie, sofern diese von Brahms, Tschaikowsky oder Schumann stammt.
Name zählt mehr als Qualität
Aber Darius Milhaud, Kurt Weill und Leonard Bernstein sind dann doch zu viel. Das heißt nicht, dass das Konzert denen, die da waren, nicht gefallen hätte – ganz im Gegenteil.
Aber es sind gleich viele gar nicht erschienen. So leer war die Sonntagsmatinee bisher nur dann, wenn winterliches Schneechaos eine Anreise beinahe unmöglich machte. Selbst ein Star wie Angelika Kirchschlager weckt da nicht derart das Vertrauen, dass man sich Unbekanntem öffnet. Wobei das Unbekannte gar nicht so unbekannt sein sollte, sind doch alle drei Werke Klassiker der Moderne. Doch beinahe alles abseits des Mainstreams ist verdächtig, nur Musik zweiter Wahl zu sein. Man irrt – es gibt von Vivaldi bessere Konzerte als die "Vier Jahreszeiten".
Doch wie in vielen anderen Bereichen auch verkauft sich ein klangvoller Name besser als gute Qualität, was sich allerdings nicht immer ausschließen muss.
Kirchschlager brillierte
Angelika Kirchschlager hat in Weills "Sieben Todsünden" wie immer brilliert und wurde von einer stimmgewaltigen Familie – Paul Schweinester, Franz Gürtelschmied, Christoph Filler und Sorin Coliban – aufs Beste unterstützt. Auch in Bernsteins 1. Symphonie "Jeremiah" wusste sie in der Lamentation ihre Stimme gezielt und effektvoll einzusetzen. Das vom Linzer Dirigenten Vinzenz Praxmarer geleitete Divertimento Viennese begeisterte mit feinen Soli.
Vor allem die gelungene Balance bei Milhauds "La création du monde" überzeugte restlos. Vielleicht hätte man bei Weill schärfer im Klang und bei der Bernstein-Draufgabe, zwei der drei "Dance Episodes" aus "On the Town", rhythmisch präziser sein dürfen, aber auch nobel gepflegte "Todsünden" verfehlen ihre Wirkung nicht.