Gelähmter Mann kann wieder einige Schritte gehen
Medizinische Sensation oder trügerische Hoffnung auf Heilung?
Ein Forscherteam an der Mayo Clinic in Rochester (US-Staat Minnesota) hat einem gelähmten Mann dazu verholfen, wieder einige Schritte selbst zu gehen. Mittels elektrischer Rückenmarkstimulation und 43 Wochen Rehabilitationstherapie konnte der Patient 102 Meter zurücklegen – allerdings benötigte er dafür einen Rollator und die Unterstützung an der Hüfte durch einen Therapeuten.
Bei einer Querschnittlähmung ist das Rückenmark des Patienten so stark beschädigt, dass die Signale aus dem Gehirn nicht mehr oder kaum noch an die Beine weitergeleitet werden. Mit der elektrischen Rückenmarkstimulation versuchte das Team um Kendall Lee und Kristin Zhao, die verletzte Stelle zu überbrücken. Im beschriebenen Fall war das Rückenmark nicht vollständig durchtrennt. Unbeteiligte Mediziner reagierten skeptisch auf die Studie, die die amerikanischen Ärzte im Fachjournal "Nature Medicine" veröffentlicht haben.
Skepsis bei Ärzten weltweit
Norbert Weidner, ärztlicher Direktor am Universitätsklinikum Heidelberg, hält die Studie für gut gemacht. Der Effekt sei wissenschaftlich interessant, aber auch mit den gezeigten Fortschritten könne der Patient seinen Alltag nicht meistern.
Auch Jocelyne Bloch vom Centre Hospitalier Universitaire Vaudois in Lausanne (Schweiz) ist von den Ergebnissen nicht überzeugt. "Er kann zwar mit viel Hilfe ein paar Schritte gehen – aber es gab keine neurologische Heilung", sagte sie mit Blick auf den Patienten. "Doch im Labor einige Schritte zu tun, bedeutet nicht, dass das auch zu Hause klappt und das Leben verändert."
Auch Christoph Etzlstorfer macht sich keine Hoffnungen: "Solche Meldungen hat es immer wieder gegeben. Für mich persönlich ist das wahrscheinlich ohnehin zu spät." Der studierte Chemiker ist ehemaliger Europameister im Handbikefahren und OÖN-Kolumnist und seit dem Bruch des siebten Halswirbels vor 37 Jahren von den Beinen bis zur Brust hinauf gelähmt. "Trotzdem glaube ich, dass eines Tages der Durchbruch gelingt."
Doch genau hier liege für ihn auch die Gefahr: "Denn man darf sich nicht einfach zurücklehnen und auf ein Wunder warten, sonst vergeudet man seine Tage, und das Leben rinnt einem durch die Finger," sagt der 54-Jährige. Stattdessen müsse man lernen, sein Handicap zu akzeptieren, und versuchen, das Beste daraus zu machen.
Das gelte übrigens für uns alle, so der frühere Spitzensportler. "Jeder hat Einschränkungen, der eine mehr, der andere wenige, manche sind sichtbar, andere verborgen. Man sollte nicht immer nur seine Schwächen sehen, sondern sich viel lieber auf seine Stärken und Fähigkeiten konzentrieren!"