Ein Ende mit Schrecken: Krampf stürzte den König
LONDON. WM: Usain Bolt kam im letzten Rennen seiner Karriere zu Fall.
Nach ungefähr 30 bis 40 Metern, also dort, wo der "Lightning Bolt" für gewöhnlich richtig zündet und mit seinen bis zu 2,95 Meter langen Schritten der Konkurrenz davonzieht, endete sie – die Karriere des schillerndsten Leichtathleten aller Zeiten.
Auf der Jagd nach seinem zwölften Weltmeistertitel war der achtfache Olympiasieger als Schlussläufer von Jamaikas 4x100-Meter-Staffel wegen eines Krampfs im Oberschenkel letztlich mit dem Bauch voran auf der Bahn des Londoner Olympiastadions gelandet. Er, der Superstar, der größer ist als die Sportart selbst, musste mitansehen, wie sich die britische Staffel ihren ersten WM-Titel auf dieser Strecke sicherte – vor den USA und Japan. Für Bolt waren diese Momente ein Sinnbild seines Karriereendes. Schließlich galt der Jubel der 55.000 Zuschauer mit einem Mal nicht mehr ihm, sondern dem neuen Weltmeisterquartett. Zum ersten Mal seit rund zehn Jahren stand er für die Fans nicht mehr im Fokus, sondern war nur noch Statist. Erst später – und gestützt auf seine Staffelkollegen – überquerte der 30-Jährige den Zielstrich.
War lange Wartezeit schuld?
Ein Rollstuhl wäre parat gestanden, um dem Entertainer eben doch noch seine letzte Ehrenrunde zu gewähren. Doch auf einen sitzenden Abschied verzichtete der schnellste Mann der Welt. Ohne Abschiedsszenen, ohne Selfies mit Fans und ohne Blitzeschleudern schlich er zum Abschied von der Bühne – seiner Bühne. Auch wenn ein Krampf bei einem Hochleistungssportler nichts Ungewöhnliches ist, liefen die Spekulationen über mögliche Ursachen heiß. Recht gelegen kam dafür die zehnminütige Verspätung, mit der das 4x100-Meter-Finale begonnen hatte. "Wir wurden zu lange ohne unsere T-Shirts stehen gelassen. Ich habe meine ganze Wärme wieder verloren", sagte etwa der in der Staffel mit Silber dekorierte 100-Meter-Weltmeister Justin Gatlin. "Ich glaube, das hat Usains Verletzung begünstigt."
Ähnliches berichtet Bolts Staffelkollege Yohan Blake: "Usain war wirklich kalt. Er sagte mir, ‘Yohan, ich denke, das ist verrückt’."
Abschiednehmen ist schwer
Bolts Karriere (siehe Kasten links) scheint im Rückblick nahezu perfekt, sodass sein Abschied zum unrühmlichsten Kapitel des – nennen wir es Märchens – wird. Ein Märchen, welches vor dem Hintergrund der immer wieder als zahnlos kritisierten Anti-Doping-Agentur Jamaikas für viele als zu wundersam gilt. Bolt, bislang über jeglichen Zweifel erhaben, meldete sich nach seinem letzten Auftritt nur auf den Sozialen Medien zu Wort: "Danke, Leute! Unendliche Liebe für meine Fans." Sein Team-Arzt ergänzte: "Viel Schmerz kommt von der Enttäuschung, das Rennen verloren zu haben."
Seinen Abschied hatte sich auch der zum Marathon wechselnde Mo Farah anders vorgestellt. Der Brite musste sich über 5000 Meter dem Äthiopier Muktar Edris geschlagen geben.
Stationen einer Karriere
Früh übt sich
Mit welchem Talent Bolt gesegnet war, deutete er bereits 2002 an, als er sich im zarten Alter von 15 Jahren in Kingston sensationell zum Junioren-Weltmeister krönte. Schon damals skandierte das gesamte Stadion „Lightning Bolt“. Er ist bis heute der einzige Junior, der die 200 Meter unter 20 Sekunden (19,93) lief.
Das Erfolgs-Duo
Im Herbst 2004 begann Bolt die Zusammenarbeit mit Trainer Glen Mills, der die Stärken des mit 1,95 Meter überdurchschnittlich großen Sprinters herausarbeitete: Gerade einmal 41 Schritte – so wenige wie keiner seiner Gegner – benötigte der Superstar für die 100 Meter.
Der große Durchbruch
Jubelnd und nicht mehr voll sprintend – die Art und Weise, mit welcher Bolt 2008 in Peking nicht nur Olympia-Gold holte, sondern obendrein in 9,69 Sekunden einen 100-Meter-Weltrekord aufstellte, war einzigartig. Spätestens seit jener Nacht kannte jeder den Namen Usain Bolt. Der Weg zur Legende schien ihm schon damals vorgezeichnet.
Auf dem Zenit
An den 9,58 Sekunden über 100 Meter und den 19,19 Sekunden über 200 Meter, welche Bolt bei der WM 2009 in Berlin lief, werden sich Generationen messen müssen. Aus heutiger Sicht gelten jene zwei Bestmarken jedenfalls als Beleg für die Übermenschlichkeit des Jamaikaners.
Das bittere Ende
Nach acht Olympiasiegen und elf Weltmeistertiteln blieb dem Sprintdominator des vergangenen Jahrzehnts ein standesgemäßer Abgang verwehrt. Über 100 Meter musste sich der 30-Jährige hinter Sieger Justin Gatlin mit Bronze begnügen. Im Finale der 4x100-Meter-Staffel ging Bolt wegen eines Krampfs zu Boden.