Neun Kugeln, ein Wahrzeichen
Vor 60 Jahren als Attraktion der "Expo 58" in Brüssel eröffnet, hat das Atomium eine wechselhafte Geschichte hinter sich. Das Jubiläumsjahr wird mit vielen Veranstaltungen gefeiert.
Etwas Besonderes für die erste Weltausstellung nach dem Zweiten Weltkrieg und etwas Repräsentatives für die damals berühmte belgische Metallindustrie sollte André Waterkeyn konstruieren. "Sie haben ihm gesagt, er kann so etwas wie den Eiffelturm machen, vielleicht auf den Kopf gestellt", erzählt Yvonne Boodts. Die Frau aus dem Elsass führt seit 2006 durch die gigantischen silbernen Kugeln des Atomiums, die über Röhren miteinander verbunden sind.
Stricknadeln und Gummibälle
"Ich habe mich gefragt, was unsere Epoche charakterisiert. Ich habe an Nuklearenergie gedacht, ans Atom", wird der belgische Ingenieur, der das Symbol für wissenschaftlichen Fortschritt und die friedliche Nutzung von Kernenergie gemeinsam mit dem Architektenbrüderpaar André und Jean Polak realisierte, gern zitiert. Und glaubt man der Legende, soll Waterkeyn den ersten Atomium-Entwurf mit Stricknadeln und Gummibällen aus dem Supermarkt gebastelt haben. Definitiv der Realität entspricht, dass er zeit seines Lebens erklären musste, dass das 102 Meter hohe Bauwerk eine 165-milliardenfache Vergrößerung eines Eisenkristalls und nicht eines Eisenatoms darstellt.
Die am 17. April 1958 im Heysel-Park, sieben Kilometer nordwestlich der Brüssler Innenstadt, eröffnete "Expo 58" war ein sensationeller Erfolg. Mehr als 41 Millionen Besucher kamen innerhalb eines halben Jahres, angezogen vor allem vom Atomium. Danach sollte die 240 Tonnen schwere Kugelkonstruktion eigentlich verschwinden. Doch die silbrig glänzenden Kugeln entwickelten sich zum Publikumsmagneten und das Atomium zum Wahrzeichen Brüssels, auch wenn es über die Jahre deutlich an Glanz einbüßte.
"Vor 2006 sah es wirklich schlimm aus. Die Kugeln hatten Löcher und Tauben sind herumgeflogen", erinnert sich Yvonne Boodts. Dann wurde das Atomium für 27 Millionen Euro generalüberholt, unter anderem die Aluminiumhülle durch Inox-Stahlplatten ersetzt, sowie ein neues Beleuchtungssystem eingebaut. Seit Oktober 2006 erstrahlt die Kugelkonstruktion in neuem Glanz. André Waterkeyn erlebte die Wiederöffnung nicht mehr, er starb vier Monate zuvor im Alter von 88 Jahren, jedoch begleitete er die Renovierungsarbeiten bis zu seinem Tod.
Museum und Kinderzimmer
Weder Turm noch Pyramide, halb Skulptur, halb Bauwerk, ist das futurisch anmutende Atomium 60 Jahre nach seiner Eröffnung mehr als ein Überbleibsel aus der Vergangenheit. Mit fast sieben Millionen Besuchern seit seiner Wiederöffnung ist es wieder ein Besuchermagnet. Heute sind fünf der insgesamt neun Kugeln mit einem Durchmesser von je 18 Metern zugänglich. Sie sind durch 23 bis 26 Meter lange Röhren mit Rolltreppen im Inneren miteinander verbunden. So gibt es steile, rot gestrichene Treppen, die gerne für Foto-shootings genutzt werden. Musiker können in einer Event-Kugel Konzerte geben, in der obersten sind ein Restaurant und Aussichtsetagen untergebracht.
Manche Kugeln haben mehrere Ebenen, die ständig Ausstellungen und Sonderausstellungen, wie – bis September – übergroße Interpretationen der Werke des Künstlers Rene Magritte, zeigen. In einer speziellen Kugel nur für Kinder können 24 Schüler übernachten. Dafür müsse allerdings zwei Jahre im Voraus reserviert werden, sagt Boodts.
60 Jahre Atomium – das bietet ausreichend Anlass zum Feiern – mit einem Feuerwerk im Sommer, Flohmärkten im Frühling und Herbst sowie einem 50er-Jahre Rockfestival. Unter dem Titel "Galaxy 58" werden im Atomium und im Brussels Design Museum ADAM die Ausstellungen "People of 58", "Podium 58" und "Graphic 58" gezeigt. Sie widmen sich den technischen Innovationen, den Menschen und ihrer Lebensumwelt sowie der Entstehungszeit des Atomiums. Dazu gehören auch bisher noch unveröffentlichte Bilder und Videos von der Expo 58. Diese sollen bei Besuchern der Originalschau Erinnerungen wecken. Zu sehen bis zum Ende des Jahres 2018. (rofi)
Näheres: www.atomium.be www.visitbrussels/de