"Die Weiße" mit den schönen Stränden
"Die sieben Inseln" mit der Hauptinsel Lefkas liegen dicht gestreut im Ionischen Meer. Tief eingeschnittene Buchten, naturbelassene Strände, hohe Berge und dichte Wälder schaffen eine der malerischsten Gegenden Griechenlands.
Ein 18. September am Pefkoulia-Strand. Das Meer hat siebenundzwanzig Grad, und eine ruhige Dünung trägt den Schwimmer, als würde er schweben. Abseits werden Textilien gern fallengelassen, vielleicht, weil sich das Wasser auf der Haut auch besonders weich anfühlt. Die Westküste von Lefkas bilden kolossale Kreideklippen, und das leicht lösliche Gestein treibt in Form von Schwebstoffen ins offene Meer. Die türkis leuchtenden Schleier wirken fast karibisch – dort ist Korallensand für die Farbe verantwortlich. Die weißen Klippen standen Pate für den altgriechischen Namen der Insel, "die Weiße". Vor den Klippen liegen breite, kilometerlange Strände, manche wild, mit Treibholz und Seegras, andere mit voller Infrastruktur bis hin zur Showarena am Kathisma-Strand. Liegen und Schirme im zentralen Teil sind aber meist vorhanden, sowie ein Gürtel hellgrüner Laricio-Kiefern mit Naturschatten.
Aussichtsbalkon über Klippen
Das Abendessen ist gesichert. In Sichtweite des Pefkoulia-Strands liegt das alte Fischerdorf Agios Nikitas in einer kleinen Bucht. Heute werden dort in erster Linie Besucher in die guten Tavernen gefischt, der Duft von frischem Moussaka zieht schon vormittags die Hauptstraße hinauf. "Kali orexi" also – guten Appetit. Zum Ausklang warten diverse Drinks und Musik in einer Bar, Soul, Jazz oder Latin, kaum traditionell griechische Musik. Der Charakter des Ortes mit seinen verwinkelten Gassen an den Hängen wurde aber gewahrt und alte Steinhäuser aufwändig restauriert. Ein gepflegter Strand liegt direkt vorm Ort, über einen romantisch steilen Pfad erreichbar der Milos-Strand, ausgedehnt und weit weniger überlaufen.
Von hier windet sich die Straße in einigen hundert Meter Höhe entlang der Klippen. Exantheia ist Mekka und Startplatz für Gleitschirmflieger. Die Meister fliegen halsbrecherische Loops oder lassen sich in Schrauben fast bis zum Meer fallen, um im letzten Moment mit der verlässlichen Thermik wieder aufzusteigen.
Traumstrände und Fernblicke begleiten den Weg zum Kap Doukato an der Südspitze, dem "leukadischen Felsen" der Dichtung. Die wilde Küste führt uns die Zeit der sagenhaften Phaiaken vor Augen, und den Vers aus der Odyssee: "die Felsen von Ithaka mächtig gebieten" [Od. XXI, 346]. Vom Ausflugsboot lässt sich das Bangen der Schiffer erahnen, wenn sie die gewaltigen Wände, das Ende der ihnen damals bekannten Welt, emporblickten. Überdies steuert ein solcher Törn Strände an, die anders nicht oder nur schwer erreichbar sind. Besonders Porto Katsiki und der am gleichen Breitengrad liegende Agiofyli-Strand sind landschaftlich von großer Schönheit.
Selten befahren wird die Strecke über das Bergland auf die Ostseite der Insel. Auf den Hochflächen weichen Ölbäume und Zypressenhaine der undurchdringlichen Macchia. Wenige Menschen bauen auf mühsam gerodeten Äckern besondere Linsen an, die es nur hier auf Lefkada gibt. Einige Ziegen leben hier und viele fleißige Bienenvölker. Mit warmem Wind weht der Duft mediterraner Kräuter durchs offene Autofenster. Wilder Salbei steht am Wegrand. Das Wertvollste aber ist der Thymian. Ein ganzes Dorf lebt von dem unvergleichlichen Honig. Wir haben uns durchgekostet und uns für den Honig von Chrisostomos und Maria entschieden. Sie haben ihren Stand an der Abzweigung, die über Koumillo nach Süden zum Kap Doukato führt. Maria hatte gerade einen Korb Mandeln ausgelöst, und "Cris", wie er sich vorstellte, stand parat, in traditionell schwarzem Arbeitsschurz und mit Rauschebart die reinste Ikone. Als er am Honigbehälter mit äußerster Vorsicht pumpt, um uns kosten zu lassen, schlüpft aus der Öffnung eine Biene, putzt sich und fliegt fort. "Das passiert öfter", lacht er.
Flip-Flops und frischer Fisch
So rau der Westen, den Osten bedeckt dichte Vegetation. Unter alten Platanen am Dorfplatz von Eglouvi lässt sich gut im Schatten rasten. Die Talfahrt auf der immer enger werdenden Straße scheint kurz darauf zu enden zwischen einem Rebgarten und dem Wildwuchs der Böschung, direkt vor einem Schutthaufen. Mit Glück ist ein winziges Taferl zu entdecken, dessen abblätternde Farbe den Weg nach Nidri, immerhin der zweitgrößten Stadt der Insel, weist: eine Spitzkehre, die vorher so gut wie unsichtbar war. Jede Kurve zeigt ein neues Gemälde aus Buchten und weißen Segeln, aus Meeresstraßen, den grünen Hügelkuppen zahlreicher Inseln und den roten Dächern von Nidri in der fruchtbaren Küstenebene.
Nidri zählt zu den reichsten Gemeinden, und der Ort verfügt über einen der sichersten Naturhäfen im Mittelmeer. Das Meer ist ruhig zwischen dem 2000 Meter hohen Gebirge am Festland und dem immerhin 1000 Meter hohen Rücken der Insel. Nidris gepflegte Strände sind gut gebucht, und in den anschließenden Café-Bars und Restaurants fällt man quasi von der Strandliege in den Sessel. Dahinter bedient die Flip-Flop-Meile den Gast mit allem, was er braucht und vielleicht brauchen könnte. Dabei bleibt das kunterbunte Chaos bar jeder Hektik und lädt abends zum Flanieren ein. Frischer Fisch ist kein Thema: Zahlreiche, zum Teil klassische Holzboote, Haufen von Netzen am Kai und nicht zuletzt die glänzenden Augen und rosa Kiemen vom selbst ausgesuchten Fisch überzeugen.
Ruhiger und persönlicher geht es in Lygia zu, wo man am Wasser neben den schaukelnden Booten sitzt und der Fisch den kürzesten Weg in die Bratpfanne hat.
Surfspot und Party-Meile
Etwa fünfzehn Kilometer Strand sind es im Westen und noch einmal sieben vor der Hauptstadt Lefkada im Norden. Im Juni, geschmückt mit den Segeln der Kitesurfer, liegt die Dünenlandschaft im Herbst verlassen zwischen dem Meer und der Ghira-Lagune. Nicht einmal Kuhreiher streichen über den Sand, die Vögel stochern schläfrig in der Lagune herum. Fünf Windmühlen ohne Flügel unterstreichen den Eindruck noch. Sie liefern den einzigen Schatten weit und breit. Der Strand ist wegen des starken, stetigen Windes im späten Frühling einer der besten (Kite)Surf-Spots in Europa. Ein vor allem junger Besucherstrom hat wesentlichen Anteil an der rasanten Entwicklung des Stadtbildes von Lefkada. Diverse Souvenirläden machten Platz für elegante Bäckereien. Entspannende Wine-Bars wie das Mavros Lagos laden zu edlen Tropfen aus Lefkas. Boutiquen mit aktueller Sportmode, Fachgeschäfte für Wohndesign fügen sich in die Leichtbauweise.
Dichtung und Wissenschaft
Nach dem Erdbeben 1953 wurde die Stadt nach alten Plänen wieder aufgebaut. Nun verleiht Wellblech in Pastellfarben und kräftigem Papaya-Rot, Limettengrün oder Bananengelb einen Hauch von Karibik. Restaurants und Bars an der Mole und entlang der Marina gegenüber der Altstadt platzen aus allen Nähten, Jazz oder heiße Latino-Musik, jeden Tag live im Havanna und im Cubano Club machen die Nacht zum Tag. Hat hier jemand Party gesagt?
Wilhelm Dörpfeld (1853–1940) steht am Beginn moderner Archäologie. Nach abgeschlossenem Architekturstudium wurde ihm bereits im Alter von 24 Jahren die technische Grabungsleitung in Olympia übertragen. 1882 finden wir ihn an der Seite von Heinrich Schliemann bei den Ausgrabungen des antiken Troja, 1886 erfolgte die Berufung zum Direktor des Deutschen Archäologischen Instituts in Athen. 1900 begannen Grabungen auf Lefkas. Dörpfeld folgte dem Heldenepos Homers, dessen Angaben letztlich auch zur Entdeckung Trojas geführt hatten.
Der Vergleich geographischer Landmarken und der Funde von Ausgrabungen mit dem Text der Odyssee zeigte, dass es sich bei Lefkas in Wahrheit um das antike Ithaka des Odysseus handeln müsse. Gleiches trifft auf die vom Dichter geschilderte Kultur zu, welche auffällig der mykenischen des 2. Jahrtausends v. Chr. gleicht. Der Name der Insel wechselte vermutlich bei der späteren "Dorischen Wanderung", wie auch jene vieler anderer Orte und Landschaften.
Auf der Halbinsel Meganisi fand der von den Inselbewohnern hochverehrte Wissenschafter seine letzte Ruhestätte.
Wissenswertes
Anreise: mit People‘s, ab 5. Juni 2018, jeden Dienstag direkt Wien–Preveza und Salzburg–Preveza, geräumige
Sitze; www.peoples.ch
Unterkunft: Hotel Konaki in Lygia: mit weiträumiger gepflegter Gartenanlage samt riesigem Pool, Bar und uralten Olivenbäumen, warmes, kontinentales und griechisches Frühstück, vier Kilometer zum Zentrum Lefkada, gute Busverbindung, Strände und Tavernen in etwa 15 Minuten zu Fuß erreichbar.
Camping: Desimi Beach, Halbinsel Meganisi, direkt an paradiesischer Bucht, www.campingdesimi.com
Restaurant-Tipp: Agnantio, 13 Kilometer südlich von Nidri an der Staße nach Vasiliki, vorzügliches Essen und traumhafter Blick auf den Hafen von Syvota
Surfschule: Horizon Watersports in Nidri: www.horizonwatersports.co.uk
Weinkeller: Lefkas Earth Winery, hervorragende Weine aus Vardea- und Vertzami-Trauben, trocken und süß ausgebaut; www.lefkaditikigi.gr
Literatur: Bislang existiert kein Extra-Reiseführer über die Insel Lefkas. Dörpfeld dokumentierte die Ergebnisse seiner Forschung in dem Werk „Altithaka. Ein Beitrag zur Homer-Frage“; Verlag Uhde, 1927. Einzusehen in der Bibliothek der Universität Heidelberg.