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Die Ruhe nach dem Sturm

Von Ambra Schuster, 21. Oktober 2017, 15:00 Uhr
Die Ruhe nach dem Sturm
Am Playa Ancón nahe Trinidad spielen Kinder zwischen kaputten Strohschirmen. Bild: Ambra Schuster

Teile Kubas wurden Mitte September durch Hurrikan Irma zerstört. Ambra Schuster hat sich auf die Suche nach jenen Gebieten gemacht, die verschont geblieben sind. Gefunden hat sie traumhafte Landschaften und eine besonnene Zivilgesellschaft.

Wolkenloser Himmel, karibisches Meer und weißer Sandstrand. In der Ferne Musik aus einer der Strandbars, Kinder, die im Wasser spielen, kaum Touristen. Liegt man am Playa Ancón nahe dem Kolonialstädtchen Trinidad, könnte man glatt vergessen, dass zwei Wochen zuvor der stärkste atlantische Hurrikan seit Beginn der Aufzeichnungen über Kuba hinweggefegt ist. Lediglich die Renovierungsarbeiten in einem der wenigen Hotels hier am Strand und ein paar zerstörte Strohschirme erinnern an die Verwüstung, die Hurrikan Irma in der Karibik hinterlassen hat.

Fliegen oder nicht fliegen? Eine Frage, die wohl alle Reisenden beschäftigte, die ihre Kuba-Reise für Mitte September angesetzt hatten. Die Bilder in den Medien von zerstörten Häusern, Überschwemmungen und verwüsteten Landstrichen schrecken ab. Viele Urlauber stornierten ihre Buchungen. Auch wir hatten Zweifel.

Die österreichische Botschaft in Havanna versicherte, dass Kuba bis auf gewisse Gebiete an der Nordküste ab Mitte der darauffolgenden Woche wieder "normal" zu bereisen seien. "Normal" sei in Kuba ohnehin relativ. Wasser, Strom und Nahverkehr funktionieren auch in ruhigen Zeiten nicht immer.

In der Altstadt Havannas herrscht reges Treiben. Oldtimer prägen das Stadtbild. Bild: Ambra Schuster

Mit einer Woche Verzögerung sitzen wir also im Flugzeug von Wien über Madrid nach Havanna. 14 Flugstunden und eine Taxifahrt später tauchen wir in die belebten Gassen von Havannas Altstadt ein. Hier in Havanna Vieja befindet sich unsere casa particular. So heißen die privaten Pensionen, die man auf Kuba überall findet. Mit Klimaanlage, eigenem Bad und Warmwasser sind die Gästezimmer der casas meist komfortabler und vor allem günstiger als die staatlichen Hotels. Zudem hat man hier als Reisender die Möglichkeit, die Kubaner und ihre Gastfreundschaft kennenzulernen, schließlich lebt man mit ihnen unter einem Dach.

Kuba ist hurrikanerprobt

Eine Woche nach dem Hurrikan warten in vielen Gassen der Altstadt Havannas noch Müllhaufen und Bauschutt darauf, abgeholt zu werden. Die alten, ohnehin baufälligen Kolonialbauten wurden durch die heftigen Winde in Mitleidenschaft gezogen. Im Zentrum sind die Aufräumarbeiten aber soweit abgeschlossen. Bautrupps haben umgestürzte Bäume und Trümmer bereits Anfang der Woche beseitigt. Die Strom- und Wasserversorgung ist wiederhergestellt, und der Alltag in der Zwei-Millionen-Metropole nimmt seinen gewöhnlichen, also chaotischen Lauf. Gäste sind an jeder Ecke herzlich willkommen, jetzt umso mehr.

Die Uferpromenade Malecon in Havanna wurde vom Hurrikan schwer beschädigt. Alle hundert Meter steht ein Militärposten. Bild: Ambra Schuster

Einzig entlang der Uferpromenade Malecon und in den umliegenden Stadtteilen ist noch kein Ende der Aufräumarbeiten in Sicht. An den beschädigten Gebäuden kann man ablesen, wie hoch das Wasser hier noch bis vor drei Tagen gestanden ist. Der Sand, der durch die Wassermassen in die Straßen geschwemmt wurde, knirscht noch unter den Schuhen. Die Stimmung entlang der sonst belebten Flaniermeile ist gedrückt. Alle hundert Meter steht ein Militärposten. Als Prävention gegen Plünderungen und um darauf zu achten, dass Passanten nicht an die äußere Seite der Straße gehen. Dort sei der Wind noch zu stark.

Immer ans Ziel, egal wie

Nach drei Tagen in Havanna haben wir eines schnell erkannt: Kuba erfordert Spontanität, Flexibilität und oft auch ein gewisses Maß an Unvernunft. Außerdem ist viel Gelassenheit von Vorteil. Dementsprechend werfen wir unsere geplante Reiseroute über Bord und lassen uns von Einheimischen und anderen Backpackern beraten, welche Gebiete Kubas bereits wieder zu bereisen sind. Unsere Vermieterin hilft bei der Vermittlung eines Sammeltaxis, colectivo genannt, und einer Unterkunft. Wir sitzen in einem solchem colectivo, ein Oldtimer. Schulter an Schulter mit acht weiteren Individualreisenden lassen wir das Hauptstadtgetümmel hinter uns.

Man kommt in Kuba immer irgendwie von A nach B, legt man nicht zu viel Wert auf Komfort, auch oft auf abenteuerliche Weise. Sowohl der Zustand der Straßen als auch jener des Transportmittels ist stets für Überraschungen gut. Anschnallen? Fehlanzeige! Vom Pferdekarren über das Fahrrad bis hin zum staatlichen Bus, dem guagua, oder dem klapprigen Ami-Schlitten treibt sich alles auf den Autobahnen Kubas herum. Westliche Phänomene wie Stau und Verkehrsüberlastung sind hier, wie so vieles, noch nicht angekommen.

Gesprächsthema Nummer eins ist der Hurrikan. So auch bei unserem Taxifahrer José. "Das Haus meiner Familie steht noch, und sogar unser Pferd hat überlebt. Ich habe es während des Sturms in meine Küche gestellt, um es in Sicherheit zu bringen." Viele Kubaner hatten weniger Glück. Die kommunistische Regierung verspricht, der Bevölkerung beim Wiederaufbau zu helfen. "Die Revolution wird niemanden schutzlos alleinlassen", verkündet Präsident Raúl Castro. Die Touristen, und damit die Existenzgrundlage vieler Kubaner, bleiben aber aus. Bis in den November liegt vorerst alles brach.

Kuba für Naturliebhaber

Die dreistündige Fahrt führt uns in den Westen Kubas, in die Provinz Piñar del Rio. Das dicht besiedelte Gebiet rund um Havanna weicht Landwirtschaft und weitläufigen Feldern. Die Oldtimer werden zu Fuhrwerken und Pferden. Nach der Autobahnabfahrt gelangen wir über eine sattgrüne Hügellandschaft in das verschlafene Tal Valle de Viñales.

Das Tal Valle de Viñales mit seinen typischen Kegelkarstbergen, den Mogotes. Bild: Ambra Schuster

Rote Böden, Tabakplantagen und die Kegelkarstberge, die Mogotes, prägen das Landschaftsbild in diesem Naturschutzgebiet. In dem Örtchen Viñales scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Überall bunte, pittoreske Häuschen mit Schaukelstühlen auf den Veranden. Das Land wird bestellt wie vor hundert Jahren, und das Dorfleben spielt sich auf der Straße ab. Erst auf den zweiten Blick lassen sich erste Smartphones erspähen. Welten prallen aufeinander, wenn die LG-Waschmaschine vom örtlichen Elektrohändler mit dem Pferdekarren nach Hause transportiert wird. Von Wander- und Klettertouren über Reitausflüge bis hin zu Höhlenexpeditionen: Naturfreunde kommen in Viñales auf ihre Kosten. Die 55 Kilometer entfernte Halbinsel Cayo Jutías lädt außerdem zum Baden ein. Kleiner Wermutstropfen ist hier einzig die Anfahrt über die wohl schlaglochreichste Straße Kubas. Der menschenleere Sandstrand und das unwirklich blaue Meer machen die Strapazen aber locker wett.

Eingebunkert im Hurrikan

Viñales ist mit seinen drei Querstraßen klein genug, um schnell neue Bekanntschaften zu schließen. So lernen wir Debora und Daniel, zwei Linzer Studenten, kennen. Sie bereisen Kuba bereits seit einem Monat und waren während des Hurrikans in Santa Clara, im Zentrum Kubas, für drei Tage eingebunkert. "Die Kubaner wissen schon sehr genau, was auf sie zukommt, und sind auch erstaunlich gut organisiert. Im Endeffekt hatten vermutlich unsere Familien zu Hause mehr Angst um uns, und so seltsam das klingt, es war interessant, eine derartige Ausnahmesituation erlebt zu haben. Das kann man sich bei uns einfach nicht vorstellen." Drei Tage ohne Strom und ohne fließendes Wasser harrten die Studenten in ihrer Unterkunft aus, bevor sie sich vom zerstörten Norden weiter in den Süden nach Trinidad hanteln konnten.

Kommun- vs. Kolonialismus

Nach Trinidad zieht es auch uns. Davor führt ein zweitägiger Abstecher aber noch in die gepflegte Kolonialstadt Cienfuegos, die von Reisenden in der Hauptsaison gerne übersehen wird. Das ehemalige Zentrum der Zuckerindustrie ist verhältnismäßig untouristisch geblieben. Dabei lässt sich gerade hier das echte Kuba erleben. In den von Kolonialbauten gesäumten Straßen Cienfuegos ist der Kommunismus und die Revolution allgegenwärtig. Ebenso wie die Staatsväter Che und Fidel Castro. Parolen wie "Patria o Muerte" – Vaterland oder Tod – und "Victoria del Socialismo" – Sieg des Sozialismus – befinden sich an jeder Straßenecke. In der staatlichen Eisdiele Coppelia bekommen wir den kommunistischen Alltag und das Phlegma Staatsbediensteter zu spüren. Trotz zahlreicher tatenlos herumstehender Kellner werden wir eine halbe Stunde nicht bedient. Am Ende gibt es von zwanzig Eissorten auf der Karte nur Erdbeereis.

Im Nationalpark Topes de Collantes kann man unter Wasserfällen und in Tropfsteinhöhlen baden. Bild: Ambra Schuster

Baden unter Wasserfällen

Auf dem Weg nach Trinidad machen wir einen weiteren Abstecher in das Escambray-Gebirge zu den El-Nicho-Wasserfällen. Baden mitten im Dschungel unter Wasserfällen? Auch das ist in Kuba möglich.

Die vorletzte Etappe führt in die Gegend rund um Trinidad. Sie lockt Besucher mit einer Kombination aus dem karibischen Playa Ancón, den nahe gelegenen El-Cubano-Wasserfällen und der Nähe zum Nationalpark Topes de Collantes an. In Teilen der Altstadt Trinidads verbreitet sich Nacht für Nacht ein ausgelassenes Treiben. So wird auch im Casa de la Musica jeden Abend zu den schnellen Rhythmen kubanischer Live-Musik getanzt.

Der Hurrikan ist nun knapp drei Wochen her. Vom anfänglichen Zweifel, ob man sich mit einer Reise in ein Hurrikangebiet nicht zum Katastrophenreisenden macht, ist nichts geblieben. Das Land ist im Wiederaufbau, und dementsprechend ist gerade jetzt jeder Tourist umso wichtiger für Kuba. In dieser schwierigen Zeit zeigt sich auch die Gastfreundschaft der Kubaner noch stärker. Die Menschen umsorgen ihre Gäste und versuchen trotz der Lage, besonnen zu bleiben.

Cayo Jutías macht mit karibischem Sandstrand die Anreise-Strapazen wett. Bild: Ambra Schuster

Ein rundum reibungsloser Urlaub ist in Kuba auch ohne Hurrikan unrealistisch. Wer das echte Kuba ungestört kennen lernen möchte, muss sich auf das Land und seine Abenteuer einlassen – und eben auch in der Nebensaison und damit in der Hurrikan-Saison reisen. Die einzigartige Landschaft und die Kubaner selbst belohnen das Risiko auf jeden Fall.

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