Das große Prickeln in Wiesbaden
Von wegen nur "Henkell trocken". Das Stammhaus in Hessen ist eine wundersame Sekt-Welt. Besichtigung erwünscht.
Die Biebricher Allee 142 in Wiesbaden ist ein guter Ort, um sich überraschen zu lassen. Der Weinhändler Adam Henkell hat hier, in der Hauptstadt von Hessen, die Sekt-Manufaktur seines 1832 gegründeten Unternehmens gebaut. Es ist nicht irgendeine. Denn es galt, die Kunden zu beeindrucken.
Die Marmor-Empfangshalle ist Neo-Barock/Rokoko. Es war die deutsche Gründerzeit. Nichts konnte prächtig genug sein. Damals staunten die Großkunden, die Sekt und Champagner kauften.
Pracht wie anno dazumal
Heute staunen die Teilnehmer der Kellerei- und Manufakturführungen. Denn der Schaumweinkonzern öffnet bereitwillig seine Türen und lässt das sektinteressierte Volk in Scharen herein.
In der Mitte der Prachthalle geht es direkt und nicht minder prächtig in den Weinkeller. In sieben Stockwerken unter der Erde lager(te)n in wunderbar geschnitzten Fässern, die 200.000 Liter fassen, die Grundweine für die Versektung.
Heute werden sie nur mehr verwendet, wenn andere Lager voll sind. Denn Henkell ist ein moderner Konzern mit 700 Millionen Euro Jahresumsatz, der in 110 Ländern exportiert und auch Marken wie Söhnlein, Goldegg, Deinhard, Prosecco Mionetto, Champagner Gratien & Meyer, spanischen Cava und Sekt der Edelmarke Fürst Metternich unter seinem Dach hat.
Produziert wird in Wiesbaden freilich auch noch, und das ziemlich modern. Bei unserem Besuch wird vollautomatisch Sekt für den US-Markt abgefüllt. Der will Kartons mit zwölf Flaschen statt sechs wie in der EU, weiß Philipp Gattermayer, der Geschäftsführer von Henkell & Co. in Österreich.
Hierzulande ist Henkell-Sekt Marktführer. Henkell trocken gibt es übrigens seit 1856, als Adam Henkell französischen Wein mit deutschem Handwerk vermählte.
Neu in der Besucherwelt in Wiesbaden ist ein Genuss-Kubus mitten im Grundwein-Keller. Wie Sekt in der Flasche entsteht, kann hier nachvollzogen werden.
Dazu "degorgiert" (köpft) die Weinwissenschafterin Manuella Webber-Witt den vereisten Hals einer Champagnerflasche nach der ersten Gärung. Mit diesem Schritt wird die Hefe, die das Prickeln bringt, entfernt.
Jedem sein eigener Champagner
Hier kann man sich sogar seine eigene Champagner-Cuvée zusammenstellen, die nach vielen Monaten von der Hefe kommt und dann mit nach Hause genommen werden kann. Doch wie alles vonstattengeht, will man vielleicht nicht so ganz genau wissen. Historie betört schließlich, und Gefühl spielt auch hier eine große Rolle. Wieso sollte ausgerechnet Sekt und seiner Herstellung das Postfaktische erspart bleiben?
Henkell Sektmanufaktur, Biebricher Allee 142, Wiesbaden, www.henkell.com
Genuss-Tipps
Der heilige Gral des Rieslings: Schloss Johannisberg in Geisenheim nahe Wiesbaden gilt als das älteste Rieslingweingut der Welt. Es gehört zum Henkell-Konzern und kann ebenfalls besichtigt werden.
www.schloss-johannisberg.de
Kleine Schaumweinkunde
Sekt: Schaumwein mit mindestens zehn Prozent Alkohol. Das Prickeln muss durch eine zweite alkoholische Gärung entstanden sein. Der Sekt muss mindestens sechs Monate lagern. Produktion im Stahltank.
Champagner: Darf sich nur nennen, was aus der Champagne in Frankreich stammt, in Flaschengärung und aus Trauben von Pinot Noir, Pinot Meunier und Chardonnay entstand.
Prosecco: geschützte Herkunftsbezeichnung für Prickelndes aus der Rebsorte Glera aus Veneto & Friaul-Venetien.
Frizzante: auch Perlwein genannt. Flaschendruck 1 bis 2,5 bar (Sekt mind. drei bar).
Cava: Schaumwein aus klassischer Champagner-Methode aus Spanien
Crémant: Sekt aus Frankreich, zweite Gärung in der Flasche
Alkoholfreier Sekt: Sekt wird unter Vakuum erwärmt. Deshalb kocht er bereits bei 30 Grad; Alkohol verdampft.