Ausgeschlafen in Mailand ankommen
Der ÖBB-Nightjet ist die eleganteste Möglichkeit, eine Städtereise anzutreten. Zum Beispiel in die Stadt der Handtaschen und des roten Bitterlikörs.
Zugreisen hatte für betuchtes Publikum einst Grandezza: Wenn man Agatha-Christie-Filmen glauben darf, begrüßten Zugbegleiter mit polierten Schuhen ihre eleganten Gäste einst mit einer Verbeugung im Salonwagen.
Badezimmer und Sekt
Das Zugpersonal im ÖBB-Nightjet verbeugt sich heute zum Glück nicht mehr, aber ansonsten kommen die nachtblauen Züge der Bundesbahnen dem alten Glanz des Zugreisens recht nahe. Der Fahrgast wird nach dem Einsteigen vom Zugbegleiter galant ins Schlafabteil geleitet, wo bereits ein Fläschchen Sekt und Wasser auf ihn warten. Auch ein eigenes Mini-Badezimmer (!) samt Seife und Handtuch befindet sich im Privatabteil.
Wir haben den Nightjet EN 40295 von Salzburg nach Mailand getestet. Abfahrt in Mozarts Geburtsstadt um 22.02 Uhr, Ankunft in Verdis Todesstadt um 9.10 Uhr. Dazwischen ein Traum von einer Bahnreise. Nach dem Schlummertrunk und ein paar Seiten Nachtlektüre sahen wir vom gemütlichen Stockbett aus noch den Bahnhof Schwarzach-St. Veit am Fenster vorbeiziehen und später Lichter tief unten im Gasteinertal. Danach kam der Tunnel und mit ihm tiefer Schlaf.
In Peschiera erhaschte ich einen verschlafenen Blick auf den Gardasee, in Brescia klopfte unser Diener, äh, Zugbegleiter vorsichtig an der Tür und servierte eine Stunde vor Ankunft das Frühstück.
Am Bahnsteig von Milano Centrale schlenderten wir entspannt in den Tag hinein, während um uns bedauernswerte Pendler in die Arbeit hetzten.
Auf Gaspare Camparis Spuren
Und Mailand? Ach, Mailand. Machen wir es kurz: Als Frau muss man in Auslagen Handtaschen und Schuhe bewundern. Mann hat währenddessen Zeit, deren Trägerinnen auf der Straße nachzublicken. Zu zweit will man die Camparino-Bar besuchen. Hier erfand Gaspare Campari 1860 den nach ihm benannten Likör. Wunderschön ist der Trödelmarkt am Naviglio Grande. In den angrenzenden Lokalen sollten Feinschmecker Ossobuco verkosten, die Spezialität der Milanesi.
Die Heimfahrt erfolgte tagsüber. Man will von der Strecke ja doch auch etwas sehen. Das Bett hat uns gefehlt. Dafür haben Eurocity-Züge Speisewagen!
ÖBB-Nightjet
Die ÖBB haben sich in Europa zum Schlafwagenspezialisten gemausert. Als die Deutsche Bahn im Vorjahr beschloss, diese Sparte aufzugeben, übernahmen die Österreicher einen großen Teil ihrer Strecken und bieten gemeinsam mit Partnergesellschaften unter anderem nun folgende Destinationen an:
- Wien–Hamburg
- Wien–Düsseldorf
- Wien–Zürich
- Wien–Bregenz
- Wien–Venedig
- Wien–Florenz–Rom
- Wien–Verona–Mailand
- Wien–Livorno
- München–Hamburg
- München–Düsseldorf
- Salzburg–Venedig
- Salzburg–Florenz–Rom
- Salzburg–Verona–Mailand
- Wien–Dresden–Berlin
- Wien–Poprad–Kosice
- Wien–Warschau
- Wien–Krakau
- Salzburg–Zagreb/Rijeka
Kunden können auf allen Strecken aus unterschiedlichen Komfortstufen wählen. Vom 1-, 2-, oder 3-Betten-Abteil im Schlafwagen über ein 4- oder 6-Betten-Abteil im Liegewagen bis zum Sitzplatz im klassischen Reisewagen.
Die rechts beschriebene Reise erfolgte in einem Zweibett-Schlafwagenabteil und kostet für Besitzer einer ÖBB-Vorteilscard 127 Euro pro Person. Frühbucher zahlen 99 Euro (Sparschiene).
Weiterführende Infos gibt es auf nightjet.at.