Bachelorette: Das Blut war nicht das Schlimme
TV-Kritik: RTL zeigt seit 14. Juni wieder die "Bachelorette". Julia Evers hat sich die Bräutigamschau angesehen.
„Bist du Model?“ „Nein.“ „Aber wenn ich dich so anschaue, so attraktiv, dann wundert mich das, dass du noch nie Model warst.“
Welches Bild ist jetzt in Ihrem Kopf? Vielleicht das eines Mannes mit einem klar definierten Ziel irgendwo unter der Oberbekleidung des Gegenübers und schwitzig-tatschigen Händen, aber ohne kreative Ideen?
Dabei war`s doch die Bachelorette, die so den Mann gegenüber „locker machen will“! Sollen wir da, mitten im Trash-TV-Sumpf gar etwas fürs Leben lernen? Dass Frauen in Machtpositionen dann eh so handeln wie Männer? Puh, lieber nicht zu viel nachdenken, macht die Bachelorette sicher auch nicht. Jessica Paszka heißt sie, und ist das geworden, weil sie sich selbst von einem Bachelor verschmähen ließ und dabei mit Körper und Klappe die Aufmerksamkeit des Fernseh-Publikums auf sich zog.
„Die erste Liebe hatte ich schon, jetzt will ich die wahre Liebe“, schmachtet sie und hofft die in der RTL-Show zu finden: Irgendwo zwischen tätowierten Muskeln, Selbstbräuner und gebleachten Zähnen könnte sie sich verstecken. Oder, um es mit den Worten der Herren zu sagen: „Meine Bizep!“
Auch die Testosteron-Tussis sind auf wahre Liebe aus. Oder so ähnlich: „Ich bin ehrlich gespannt, sie im Bikini zu sehen und ob wir da auch blank ziehen“, fasst einer vorm Gruppendate die Begehrlichkeiten zusammen. Welcher das gesagt hat? Das ist für Zuschauerinnen in der zweiten Folge noch schwer zu überblicken. Aber, wir entspannen uns, der Bachelorette geht es genauso, hey, und die soll nicht nur lästern, sondern sogar lieben! Dass sie einen ihrer Kandidaten beinhart mit falschem Namen anspricht, macht das ganze Spiel schon fast wieder sympathisch ehrlich.
Und auch so manch anderer Einblick lässt einen froh zu sein, gerade vor dem Fernseher Lebenszeit zu verplempern statt der Schmacht-Partie im schönen Marbella zu nahe zu kommen. „Ich habe sie erst gerochen“, sagt einer, als die Bachelorette ins Haus kommt. Dann wird der eigene Körper flächendeckend eingesprüht: „Unser Schweiß riecht nach Parfum.“ Bestimmt. Und die Einführung von Geruchsfernsehen muss ja jetzt auch nicht gleich kommen. Einer schmeißt sich ein Teller auf den Fuß, blutet und wird mit der Trage abgeholt. Passiert ja sonst nichts beim männlichen Koexistieren am Pool. Bisschen Muskel da angespannt. Bisschen Seite da gebräunt. Man will ja nicht von der Konkurrenz zu unterscheiden sein. Kleidung sendet Signale, das wissen wir nicht erst seit dem EU-Hut der Queen. Warum sich die Kämpfer um die Bachelorette immer ein Bein der Badehose nach oben krempeln? Bekenntnis zu Bein-Bizep vermuten wir?
Das aufregendste Date der Sendung findet auf einem Segelboot statt. RTL hat sich das ausgedacht und ausgedacht und gewieft geplant: „Kennt ihr den Film „50 Shades of Grey?“ fragt die Bachelorette dort. Weil über Sex reden und dominanter Mann, wichtig für sie. Weil wenn schon nicht die Vornamen, dann zumindest die Vorlieben, oder?
Aber echt jetzt – den Film? Nicht einmal das kann man lesen? Dabei ist der Mommy-Porn ja nicht ein Welterfolg geworden, weil jetzt so viele verschiedene Wörter drinnen vorkommen. Meine Bizep!
So wirklich Schlüpfriges lockte auch dieses Gespräch nicht aus den Kandidaten heraus, die geben sich noch fad statt frech. Dafür entzog der hohe Wellengang dann einem der Kandidaten die ganze Gesichtsfarbe und löste noch gleich eines der ungelösten Rätsel der Reality-Kuppelshows: Wann der Zeitpunkt ist, wenn die Kandidaten mal zu saufen aufhören. Da war er!
Dass ein paar Minuten später eine Werbung für irgendwas von „50 Shades of Grey – perfekt für den Mädelsabend“ eingeblendet wurde – das war richtig frech. Von RTL. Ansonsten: Da muss noch mehr kommen. RTL tut sicher schon alles dafür. Oder wie sagt die Bachelorette: Prost! Pröstchen!