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Lebenslange Haft für Ratko Mladic wegen Völkermords

Von OÖN, 23. November 2017, 00:04 Uhr
Lebenslange Haft für Ratko Mladic wegen Völkermords
Die Gräber in Potocari nahe Srebrenica erinnern für immer an das Verbrechen der Serben an den Bosniaken Bild: Reuters

DEN HAAG / SARAJEWO. 22 Jahre nach Massaker von Srebrenica fällte UN-Tribunal in Den Haag Abschlussurteil.

Es war ein Massenmord unter den Augen einer UNO-Truppe: Im Juli 1995 hatten bosnische Muslime der Klein-stadt Srebrenica im nahen UN-Stützpunkt Potocari Schutz vor den bosnisch-serbischen Truppen von General Ratko Mladic gesucht. Doch die schlecht bewaffneten niederländischen Blauhelme versagten nicht nur beim Schutz Tausender Menschen von Srebrenica, sondern übergaben den Stützpunkt widerstandslos an Mladics Truppen. Insgesamt wurden danach mehr als 8000 bosnische Muslime (Bosniaken) von den Serben erschossen. Der Militärchef der Serben hatte schon bei seiner Ankunft in der Enklave Srebrenica mit Blick auf die Geschichte des Balkans gesagt: Es sei die Zeit gekommen, sich an "den Türken" zu rächen.

Nach dem Ende des Krieges war der Ex-General 16 Jahre auf der Flucht, wurde aber 2011 verhaftet und an das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag überstellt.

Sechs Jahre danach schloss dieses Tribunal gestern mit der Verurteilung Mladics die Gerichtsverfahren über die Gräuel des Balkankrieges ab. Lebenslange Haft lautete der Spruch, bei dem der 74-Jährige in zehn von elf Anklagepunkten für schuldig befunden wurde.

Mladic wurde unter anderem wegen Völkermordes in Srebrenica, Vertreibungen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Zwangsumsiedlungen sowie für Verstöße gegen das Kriegsrecht schuldig befunden. Nicht bestätigt wurde nur ein Punkt der Anklage, der sich auf Völkermord in weiteren sechs bosnischen Gemeinden bezog.

Die Richter folgten mit dem Strafmaß dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Die Verteidiger hatten auf Freispruch in allen Punkten oder höchstens 15 Jahre Haft plädiert. Sie legten schon kurz nach dem Urteilsspruch Berufung ein.

"Abscheuliche Verbrechen"

Für Chefankläger Serge Brammertz ist der Schuldspruch ein historisches Urteil. "Ein Meilenstein in der Geschichte des Gerichts." Der Vorsitzende Richter Alphons Orie sprach in seiner Urteilsbegründung von "abscheulichen Verbrechen", die unter Federführung Mladics begangen worden wären.

Kurz vor dem Urteilsspruch war Mladic wegen Zwischenrufen aus dem Gerichtssaal gebracht worden. "Sie lügen", schrie der 74-Jährige während der Urteilsverlesung an Orie gewandt. Der Richter ließ den Angeklagten aus dem Saal bringen, nachdem er zuvor einen Antrag der Verteidigung abgelehnt hatte, das Verfahren wegen Mladics hohem Blutdruck zu unterbrechen. Der Ex-General selbst hatte erklärt, unschuldig zu sein.

Karadzic: Berufung läuft noch

Neben Mladic gilt der frühere Serbenführer Radovan Karadzic als Hauptverantwortlicher. Er war im März 2016 zu 40 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Das Berufungsverfahren läuft noch.

Drei Männer wurden zu lebenslanger Haft verurteilt. Darunter ist Vujadin Popovic, Ex-Sicherheitschef des berüchtigten Drina-Korps der bosnisch-serbischen Armee. Andere ehemalige hohe bosnisch-serbische Offiziere wurden wegen Beihilfe zum Genozid zu Haftstrafen von bis zu 35 Jahren verurteilt. Der frühere Präsident Jugoslawiens, Slobodan Milosevic, starb vor Abschluss des Prozesses 2006 in seiner Zelle in Den Haag. Insgesamt wurden wegen des Völkermordes in Srebrenica 16 Personen schuldig gesprochen.

Völkermord: Schlimmstes denkbares Verbrechen

Ratko Mladic wurde in zehn von elf Anklagepunkten schuldig gesprochen. Einer davon: Völkermord. Aber wie wird Völkermord definiert?

Völkermord ist der Rechtsbegriff für das schlimmste denkbare Verbrechen. Es bezeichnet Handlungen, die das Ziel haben, ein Volk, eine Ethnie oder auch eine Glaubensgemeinschaft zu vernichten. Das Massaker von Srebrenica im Juli 1995 an Muslimen stufen Strafrechtler als ein solches Verbrechen ein, ebenso den an den Tutsi in Ruanda 1994.

Diese kosteten mindestens 500.000 Menschen das Leben. In annähernd 100 Tagen töteten damals Angehörige der Hutu-Mehrheit etwa 75 Prozent der in Ruanda lebenden Tutsi-Minderheit.

Der Begriff Völkermord ist auch unter der Bezeichnung Genozid geläufig. Genozid ist aus dem griechischen genos (Herkunft) und dem lateinischen caedere (töten) zusammengesetzt. Der jüdische Anwalt Raphael Lemkin prägte das Wort 1944, um eine Grundlage für die Bestrafung der von den Nazis begangenen Verbrechen zu legen. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedete die Völkermordkonvention 1948 als Reaktion auf die Gräueltaten der NS-Diktatur. Bis heute haben insgesamt 147 Staaten Ratifizierungsurkunden hinterlegt.

Stimmen

„Gerechtigkeit walten zu lassen und Straffreiheit zu bekämpfen für die schrecklichsten Verbrechen ist eine fundamentale menschliche Pflicht.“ - Federica Mogherini, EU-Außenbeauftragte


„Mladic ist der Inbegriff des Bösen und seine Verurteilung der Inbegriff für internationale Gerechtigkeit. Das Urteil ist eine Warnung an solche Verbrecher, dass sie der Gerechtigkeit nicht entkommen können.“ - Said Raad al-Hussein, UN-Menschenrechtskommissar


„Das Haager Tribunal hat anstelle des Vertrauens das Misstrauen gestärkt. Anstelle von Versöhnung wird es zu neuen politischen Konflikten führen.“ - Mladen Ivanic, serbisches Mitglied der dreiköpfigen bosnischen Staatsführung

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5  Kommentare
5  Kommentare
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jago (57.723 Kommentare)
am 23.11.2017 14:29

Was sich da in der Achse Belgrad-Moskau militärisch zusammenbraut traurig

Das kann sich für das dümmliche Sanktionen-Westeuropa nur negativ auswirken. Und das nicht mehr neutrale Österreich ist auf dem Weg dazwischen, eher im Weg.

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JosefBroz (4.491 Kommentare)
am 23.11.2017 00:49

Die Caption unter dem Artikelfoto lautet: "Die Gräber in Potocari nahe Srebrenica erinnern für immer an das Verbrechen der Serben an den Bosniaken."

NEIN !

Die Gräber erinnern nicht an das Verbrechen "der Serben", sondern an das Verbrechen (dieser) serbischer/n Täter an ca. 8000 Bosniaken.

Dass Mladić auch keine Freund von Serben - vielmehr ein Feind aller Menschen war, zeigen folgende zwei Umstände:

- er ließ, wie sich aus verlässlichen Quellen ergibt, auch jene Viertel des von ihm umzingelten Sarajevo beschießen, in denen er lt. eigenen Worten wusste, dass sich dort Serben befinden (und sich auch befanden); Menschen waren also für ihn nur Objekte, eine Verschubmasse, die er ohne Rücksicht auf ihr Leben für seine taktischen Spiele missbrauchte

- seine Tochter brachte sich um, als sie von seinen Verbrechen erfuhr, so hat er auch noch Unglück über seine Familie gebracht, über die serbischen Menschen in Bosnien ohnehin.

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jago (57.723 Kommentare)
am 23.11.2017 14:33

Vielleicht ticken manche Menschen so, die überwiegenden Militärs, die Brückenbombardierer und die Patrioten nicht.

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Puccini (9.519 Kommentare)
am 23.11.2017 16:22

Auch falsch.
Nicht Bosniaken waren das Ziel, sondern bosnische Muslime.
Also nicht Serbien gegen Bosnien, sondern Christen gegen Muslime. Ein Religionskrieg, wie von unserem KarlChristian schon lange ersehnt.

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JosefBroz (4.491 Kommentare)
am 23.11.2017 17:09

Werter Poster Pucchini,
Sie liegen mit Ihren Aussagen nicht richtig.

- "Bosniaken" sind bosnische Muslime. ("Bosnier" sind dortige Serben, Kroaten, Muslime, Juden, Roma, Jugoslawen etc.)

- Milošević generelle Taktik (seit den 1980er Jahren) war, Jugoslawien zusammenzuhalten, indem er die serbische Ethnie - die wie keine andere aus historischen Gründen über den jugoslawischen Raum verstreut lebte, für seine Ziele instrumentalisierte. Diese Leute sollten die Klammer für sein neues Jugoslawien sein.

- Das Angriffsziel in Bosnien waren sowohl Bosniaken als auch Kroaten.

- Da Kroaten typischerweise auch Katholiken sind, war es kein Krieg von Christen gegen Muslime.

- Überhaupt spielte Religion in diesem Krieg keine relevante Rolle (am Beginn überhaupt nicht, erst langsam durch die Nationalisierung und Ethnisierung). Noch einige Jahre zuvor unter Tito und überhaupt im Kommunismus war staatlicherseits Religion sehr negativ behaftet - was hätte Kommunismus auch mit Religion zu tun?

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