Möglichkeiten eines Happy Ends
Paulus Hochgatterers neues Werk "Der Tag, an dem mein Großvater ein Held war" ist eine subtile historische Erzählung, ein filigranes Konstrukt aus Fakten und Fiktion.
Paulus Hochgatterer, renommierter Schriftsteller und Kinderpsychiater, hat sich Zeit gelassen. Nicht weniger als sieben Jahre sind vergangen, seit er sein letztes belletristisches Buch, den beklemmenden Roman "Das Matratzenhaus", veröffentlicht hat. Sein neues Werk "Der Tag, an dem mein Großvater ein Held war" ist eine subtile historische Erzählung, ein filigranes Konstrukt aus Fakten und Fiktion.
Hochgatterers Themenwahl ist einigermaßen riskant, denn an Romanen, Dramen und Filmen über das Kriegsende 1945 mangelt es bekanntlich nicht. Der Werktitel deutet darauf hin, dass seine eigene Familiengeschichte den Stoff zu diesem Buch geliefert hat. Es geht um eine Bauernfamilie im Raum von Amstetten: ein Ehepaar, fünf Töchter, ein Sohn, der zum Kriegsdienst eingezogen worden ist, und Laurenz, der Bruder des Bauern, ein Einzelgänger.
Paulus Hochgatterer verzichtet auf epische Breite ebenso wie auf detaillierte Figurenzeichnung. Dass er die Kunst der treffenden, skizzenhaften Andeutung ziemlich gut beherrscht, ist nicht neu. Hitlers verheerender Krieg ist verloren und wird nicht mehr lange dauern. Täglich hört man die Fliegerangriffe auf St. Valentin und Linz. Dennoch gibt es verbissene Nazis wie den Leutnant Gollwitzer, die in der irrationalen Hoffnung auf die Wunderwaffe und den glorreichen Endsieg ihr Treiben gerade jetzt mit forcierter Schärfe fortsetzen und dabei hemmungslos über Leichen gehen.
In der Familie Leithner hat man keine Sympathien für den Nationalsozialismus. Man hofft halt, die letzten Wochen irgendwie zu überstehen, und man hilft auch Bedrängten, wenn dies einigermaßen möglich ist. Einen entflohenen russischen Kriegsgefangenen unter falscher Identität zu beherbergen, ist unter diesen Umständen zweifellos eine mutige humanitäre Tat. Die Familie hat auch ein dreizehnjähriges Mädchen aufgenommen, dessen Eltern bei einem Fliegerangriff ums Leben gekommen sind. Die traumatisierte Nelli macht Paulus Hochgatterer zur Ich-Erzählerin. Wie zuverlässig ihre Erzählungen sind, bleibt offen. Offen bleibt daher auch der Realitätsgehalt der gesamten Geschichte.
Der besonderen Qualität dieses Werks wird man ohnedies nur gerecht, wenn man es nicht auf Handlung und Inhalt reduziert, sondern auch das Erzählverfahren beachtet. In drei Binnengeschichten bietet Hochgatterer alternative Handlungsführungen an, man könnte sagen: Parallelerzählungen der Hoffnung auf eine günstige Wendung der Dinge. Eine dieser Geschichten ist die des Großvaters, der durch bewundernswerte Zivilcourage für ein glückliches Ende sorgt – oder sorgen könnte! Denn was weiß man schon mit Sicherheit!
Paulus Hochgatterer: "Der Tag, an dem mein Großvater ein Held war". Erzählung, Deuticke, 110 Seiten, 18,50 Euro