Migration als Schelmenroman
Radek Knapp erzählt in "Der Mann, der Luft zum Frühstück aß" den holprigen Lebenslauf eines Polen im angeblich deutschsprachigen Wien.
Achtzehn Jahre sind vergangen, seit sich Radek Knapp mit seinem Debütroman "Herrn Kukas Empfehlungen" einen Stammplatz in der österreichischen Gegenwartsliteratur erschrieben hat. Der gebürtige Pole kam 1976 als Zwölfjähriger nach Österreich, in "Herrn Kukas Empfehlungen" ließ er seinen Protagonisten von den Schwierigkeiten des Migrantendaseins erzählen, und er machte das in jener satirischen Form eines modernen Schelmenromans, die in der österreichischen Migrationsliteratur kein Einzelfall ist. Man denke an Vladimir Vertlib ("Zwischenstationen") und Dimitre Dinev ("Engelszungen").
Auch in seinem neuen Buch, der Erzählung "Der Mann, der Luft zum Frühstück aß", macht Radek Knapp die Migration zum Thema; und wieder hat er sich für einen Ich-Erzähler im Stil des Schelmenromans entschieden. Der autobiografische Hintergrund ist offensichtlich. Walerians polnische Mutter hat ihren in allzu früher Jugend empfangenen Knaben nach dem Beruhigungsmittel benannt, das man ihr bei der Geburt verabreicht hat! So kann eigentlich nur ein holpriger Lebenslauf beginnen. Ab dem zweiten Lebensjahr wächst Walerian bei seinen polnischen Großeltern auf. Die Mutter glänzt durch Abwesenheit, um elf Jahre lang ihre Jugend ausgiebig nachzuholen. Dann taucht sie wieder auf und beschließt, mit ihrem Sohn nach Österreich auszuwandern.
Mit dem Schritt über die Grenze beginnen die typischen Schwierigkeiten einer Migration, die nicht vorbereitet ist und nicht ausreichend begleitet wird. Walerian pflegt im B-Zug der alten Hauptschule weitgehend ungestört seine Inkompetenz. Sein Versuch, in einer Handelsakademie voranzukommen, scheitert nicht nur an notorischem Schwänzen, sondern auch an den Folgen der Vorgeschichte und an mangelhaften Rahmenbedingungen. Walerian schlägt sich mit Gelegenheitsarbeiten durch, vom Zettelverteilen über den Würstelverkauf bis hin zum Heizungsablesen. Nie bekommt man den Eindruck, dass er sein Leben selbst steuern kann. Einerseits sind es die Biografie und die sozialen Verhältnisse, die sein Leben bestimmen, andererseits lebt Göttin Fortuna ihre Launen aus.
Radek Knapp ist ein Meister der Pointe und des bösen Humors. Zwei Kostproben: "Deutsch zu lernen ist für einen Polen genauso schwer wie allgemeine Relativitätstheorie. Aber in Wien kam noch das Problem dazu, dass man dort gar nicht Deutsch spricht." Und weiter: "(…) sobald man zugab, dass man aus dem heiteren Land an der Weichsel kam, fingen die Kinder an zu weinen, und die Erwachsenen liefen zum Fenster, um nachzuschauen, ob ihr Auto nicht schon in Warschau stand."
Durch zu viel Lustigkeit kann man einen Stoff, der ein ganzes Sozialdrama füllen könnte, natürlich auch veralbern. Letztlich tappt aber Radek Knapp nicht in diese Falle. Im letzten Abschnitt seiner Erzählung wählt er bedenklichere Töne, ohne deswegen in Pathos und Sozialkitsch zu verfallen.
Radek Knapp: "Der Mann, der Luft zum Frühstück aß", Erzählung, Deuticke, 123 Seiten, 16,50 Euro
Termin: Radek Knapp liest am 27. März um 19.30 Uhr in der Stadtbücherei Leonding, Stadtplatz 2c, aus seinem neuen Roman.