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"Demokratie braucht mündige Bürger"

Von Ludwig Heinrich, 19. Juni 2018, 00:04 Uhr
"Demokratie braucht mündige Bürger"
Der Sohn von Opfern der SS (Jiri Menzel, l.) und der Sohn eines Täters (Peter Simonischek) tun sich zusammen. Bild: Filmladen

Peter Simonischek lüftet als Georg im Film "Dolmetscher" eine SS-Vatergeschichte.

Die Geschichte beginnt damit, dass der in Bratislava lebende Dolmetscher Ali Ungár nach Wien reist, um Rache am mutmaßlichen Mörder seiner Eltern zu nehmen. Er sucht das ehemalige SS-Ungeheuer Karl Graubner, trifft aber nur dessen Sohn Georg – gespielt von Peter Simonischek – an. Der erklärt, der Vater sei tot (ist er jedoch nicht). Georg, pensionierter Schwerenöter und Bonvivant, bekommt aber Lust, die Familiengeschichte gemeinsam mit Ali aufzuarbeiten. Nach "Toni Erdmann" verkörpert Burgtheater-Star Peter Simonischek (71) wieder eine wichtige Kinorolle. In "Dolmetscher" ist er Partner des tschechischen Regiemeisters Jiri Menzel, der diesmal als Schauspieler agiert. Kinostart ist am Freitag.

 

OÖNachrichten: Im Film lüftet ein Sohn das schreckliche Kriegsgeheimnis seines Vaters. Gab es in Ihrer Familie auch Kriegsschicksale?

Peter Simonischek: Es war schlimm genug, was dem Vater meiner Frau passiert ist. Er war 17, als er in Monte Cassino von einem Granatsplitter getroffen wurde und erblindete. Er konnte seine Frau und seine hübsche Tochter nie sehen.

Und wie überstand Ihr Vater den Krieg?

Kurz vor Kriegsende erkrankte er an Scharlach. Das war damals gefährlich, weil es keine Antibiotika gab. Er kam ins Lazarett, daher hat er das "letzte Aufgebot" überlebt. Davor war er sechs Jahre lang als Dentist und Zahntechniker in Zahnstationen hinter der Front, nicht in gefährlichen Regionen.

Als alles vorbei war, was hat er Ihnen erzählt?

Er hat oft gesagt: "Merk dir eines, Bub, Krieg ist das Allerletzte. Mich hat er die ganze Jugend gekostet." Er war sechs Jahre beim Militär und trotzdem kein Parteigänger. Das entsprach seinem Naturell. Er war nie fanatisch. Sein Hobby war die Jagd, aber auch die hat er nie verbissen betrieben. Da war dann noch mein Großvater. Der hat mich, als ich zehn war, an der Hand genommen und in ein Kino gebracht, in dem Filme zu sehen waren, die die Amis über die Auschwitz-Befreiung gedreht hatten.

Woran erinnern Sie sich noch?

An die Bilder, wie die Leichen über Holzrutschen in die Massengräber verfrachtet wurden, die Fuhrwerke mit Leichen über Leichen, das habe ich nie vergessen. Die Familie war zwar empört, hat den Großvater beschimpft: "Spinnst du, du zeigst dem Kind solche Sachen?!" Er verteidigte sich: "Es kann nie früh genug sein, dass er das weiß!" Und er hat Recht gehabt. Es ist auch notwendig, den heutigen jungen Menschen diese Ereignisse zu vermitteln, denn für die ist diese Vergangenheit so, als ob wir, meine Generation, über Metternich und den Wiener Kongress referieren müssten. Die Demokratie braucht mündige Bürger. Demokratie kann nur so gut sein, wie das Volk informiert ist. Ich betrachte es als große Gefahr, wenn an der Bildung gespart wird. Das ist nie und nimmer gerechtfertigt. Aufklärung hat oberste Priorität.

Haben Sie momentan Angst um die Welt?

Ich habe Angst davor, dass einer wie Donald Trump viel Ungutes in Bewegung bringt. Und ich habe bei seinen Anlagen den Eindruck: Wenn er einen Krieg anfängt, wird er wiedergewählt. Alle amerikanischen Kriegspräsidenten wurden wiedergewählt. Heute sehen wir, was sie angerichtet haben. Ich halte Trump für einen sehr kurzsichtigen Populisten und ich glaube nicht, dass er den Überblick hat.

Sie waren bei den Benediktinern in St. Paul im Lavanttal in der Schule. Ist Ihnen dort Geschichte ordentlich beigebracht worden?

Naaa! Das war nicht im Lehrplan vorgesehen, der endete mit dem Ende des Ersten Weltkrieges. Doch dafür habe ich heute Verständnis. Es gab zu jener Zeit viele unterschiedliche Gesinnungen. Man wollte die Auslegung nicht den Lehrern überlassen.

Wir haben in Österreich eine neue Regierung, wie bewerten Sie die Koalition?

Ich glaube, Kurz hat die Zügel in der Hand. Und wenn man auf gewisse Umtriebe des Koalitionspartners hinweist – siehe Zeitschrift "Aula", aber das scheint ja inzwischen bereinigt –, kann er sich auf den Koalitionsvertrag berufen. Bange wird mir, wenn ich an die Türkei, Ungarn, Polen und neuerdings Italien denke. Vor nationalistischen Tendenzen habe ich große Angst. Die Situation in Österreich sehe ich im moderaten Bereich. Dass da von der Opposition Hiebe kommen, ist klar. Aber muss man echt überlegen, ob Kritik an den Provokationen des Herrn Erdogan wirklich so empörend ist? Ich habe mir gerade ein tolles Buch bestellt, "Der Glanz der Vergangenheit" von Mark Lilla. Da geht es um die historisch-politische Figur des Reaktionärs. Ich finde unglaublich, dass Leute, die verkünden "America First!" solche Gefolgschaft finden. Das Rad der Geschichte dreht sich nicht zurück.

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2  Kommentare
2  Kommentare
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Aktive_Arbeitslose (459 Kommentare)
am 19.06.2018 11:35

Welche politische Partei will den wirklich mündige BürgerInnen ... ????

Die wollen doch alle regieren!

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jago (57.723 Kommentare)
am 19.06.2018 13:21

Stimmt nicht grinsen
1. haben wir Österreicher eine "Liste", die nicht regieren will. Das ist neu in der Geschichte.
2. steht es uns Österreichern frei, gegen den Parteiwahn, gegen den Zwang*), eine Partei zu wählen, öffentlich zu protestieren.

*) Ich protestiere gegen den Parteiwahn dadurch, dass ich nicht hingehe. Dafür haben besonders die Bonzentypen kein Verständnis, die die Wahl zum Kotau vor den Machthabern stilisieren möchten.

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