Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

gemerkt
merken
teilen

Wenn das Sterbedatum vor dem Geburtsdatum ist

Von Barbara Rohrhofer und Helmut Atteneder, 22. September 2017, 00:04 Uhr
Die Pränataldiagnostik kann Gendefekte und mögliche Beeinträchtigungen frühzeitig feststellen.    Bild: (colourbox.de)

Bei auffälligen Diagnosen während der Schwangerschaft ist eine Spätabtreibung bis zum Geburtstermin möglich – viele Eltern fühlen sich bei der Entscheidung alleine gelassen. Die Doku "Die dritte Option" greift das Thema auf.

Jede werdende Mutter wünscht sich natürlich ein gesundes Baby. Mit speziellen vorgeburtlichen Untersuchungen ist es heute möglich, schon vor der Geburt abzuschätzen, ob beim Nachwuchs alles okay ist oder ob Gendefekte oder Fehlbildungen bestehen. Wenn werdende Eltern erfahren, dass ihr Baby davon betroffen ist, stehen sie von einem Moment auf den anderen vor einer der schwersten Entscheidungen ihres Lebens: Das Gesetz erlaubt in Österreich bei einer auffälligen Pränataldiagnose nämlich eine Tötung des Fötus – bis vor der Geburt.

Mütter und Väter werden unvermittelt mit der Frage konfrontiert: Lieber den Tod unseres Kindes in Kauf nehmen oder mit einem behinderten Kind leben? Schätzungen von Medizinern zufolge entscheidet sich der Großteil der Betroffenen für den Abbruch der Schwangerschaft.

In der Schwangerschaftskonfliktberatung ZOE in Linz kümmern sich Beraterinnen um Eltern, die sich in schwierigen Situationen rund um Schwangerschaften befinden. Die OÖNachrichten haben Vorsitzende Gabriele Hofer-Stelzhammer zum Interview geben.

Wie kann man schwangeren Frauen helfen, die erfahren, dass ihre Baby nicht gesund sein wird?

Man kann zuhören, trösten, ihnen zur Seite stehen, alle Wege aufzeigen und beraten, ohne dabei moralisierend zu sein. Denn eines ist klar: Eine derartige Diagnose ist ein Schicksalsschlag, der die Welt aus den Angeln hebt. Und wie intensiv man sich auch beraten lässt: Am Schluss bleibt es immer eine sehr einsame Entscheidung der Eltern.

Bringen die vielen vorgeburtlichen Untersuchungen Ihrer Meinung nach mehr Fluch als Segen?

So kann man das nicht sagen. Im Institut für Pränatalmedizin an der Linzer Kepler-Uniklinik können die Mediziner beispielsweise verschlossene Herzklappen im Mutterleib öffnen. Betroffene Kinder können dann ein völlig normales Leben führen. Das ist ein unglaublicher Erfolg.

Ist eine schwangere Frau über 35, werden ihr spezielle Untersuchungen nahegelegt. Nützen viele Frauen diese Möglichkeit?

Da haben sich mittlerweile zwei Gruppen gebildet. Die eine sagt, dass sie ihr Kind so annehmen wird, wie es ist – gesund oder behindert – und verzichtet bewusst auf das große Angebot der frühzeitigen Diagnose-Optionen. Die andere lässt alles machen, was es gibt, in der sehr großen Hoffnung, zu erfahren, dass das Kind eh gesund ist.

Und wenn das nicht der Fall ist?

Dann sind da plötzlich viele Ängste und noch mehr enttäuschte Hoffnungen. Sie müssen sich neu orientieren und merken oft, dass in unserem Denken die Perfektion das Maß aller Dinge ist – natürlich auch das perfekte Kind. Da kommt dann unweigerlich die Frage: Wie geht unsere Gesellschaft eigentlich mit Behinderung um?

Merken Sie, dass sich aufgrund der exakter werdenden Pränataldiagnostik mehr Frauen bei ZOE beraten lassen?

Ja, die Zahl hat zugenommen. Viele kommen schon, wenn sie auf die endgültige Diagnose warten und weder ein noch aus wissen, andere brauchen einfach jemanden Kompetenten zum Reden– zum Beispiel über das schwerstbehinderte Kind in ihrem Bauch, das vielleicht gar nicht lebensfähig sein wird. Oder vielleicht doch?

Kommen durch die verbesserten frühen Diagnosemethoden eigentlich weniger beeinträchtigte Kinder zur Welt?

ZOE-beratende Mediziner verneinen das. Durch die größere Zahl der sehr frühen Frühgeburten gibt es offenbar viele ,neue’ Beeinträchtigungen.

 

Ein Film für alle, ein Diskussionsstoff

Es ist Usus geworden, beinahe eine gesellschaftliche Pflicht, sich als Schwangere der reichhaltigen Möglichkeiten der Pränataldiagnostik zu bedienen. Ultraschall, Nackenfaltenmessung, Organscreening. All diese Untersuchungen geben Aufschluss darüber, ob ein Fötus ein Kind gemäß der allgemeingültigen "Norm" – also nicht beeinträchtigt – sein wird.

Und falls nicht – was dann? Die Antwort auf diese Frage wird an die Eltern weitergereicht, an die Mütter. Sie sollen, sie müssen entscheiden, ob sie ihr potenziell behindertes Kind abtreiben lassen oder nicht. Oder ob sie, falls das Baby in ihrem Bauch bereits älter ist als 22 Wochen, einem Fetozid zustimmen oder nicht. Fetozid ist die einzige Möglichkeit der Medizin, legal zu töten. Es ist die dritte Option, neben Leiden lindern und heilen.

Dieser Option widmet sich der Filmemacher Thomas Fürhapter in seinem ersten Langfilm, einer Dokumentation über Einzelschicksale im Zeitalter von Pränataldiagnostik und Biopolitik. Was diese Dokumentation nicht nur wertvoll, sondern auch halbwegs erträglich macht, ist der Kunstkniff, dass Betroffene – Mütter, die sich für oder gegen den Tod des Fötus in ihrem Bauch entschieden haben, Ärzte, Juristen – nicht persönlich über ihre Erfahrungen sprechen, sondern von Schauspielern eingelesen werden.

Gleichzeitig werden in der Dokumentation, deren herausragende Qualität es ist, nicht zu werten, sondern "nur" aufzuzeigen, Alltagsszenen gezeigt. Sich tummelnde Eltern mit ihren – gesunden – Kindern im Freibad, aber auch Kinder, deren Eltern sich für ein gemeinsames Leben mit Behinderung entschieden haben. Es werden Therapiearbeiten gezeigt, kleine und kleinste Fortschritte. Aber auch die letzte Konsequenz: Eine Mutter erzählt, was sie dabei empfunden hat, als ihr Kind im Bauch getötet wurde und sie es danach tot auf die Welt bringen musste.

Ein Film für alle, ein Diskussionsstoff. Und für alle Betroffenen, denn wenn dieser Film einen weiteren besonderen Sinn haben könnte, dann jenen, dass Eltern, Mütter mit der Entscheidung, ihr Kind leben oder töten zu lassen, nicht alleingelassen werden.

"Die dritte Option": Dokumentation von Thomas Fürhapter

OÖN Bewertung:

Trailer:

mehr aus Gesundheit

Mit allen Sinnen: Raus aus der Negativ-Spirale!

Gendefekte auch öfter durch junge Väter vererbt

Genialität in den Genen?

"Kau dich schlank": Abnehmen ganz ohne Diät

Lädt

info Mit dem Klick auf das Icon fügen Sie das Schlagwort zu Ihren Themen hinzu.

info Mit dem Klick auf das Icon öffnen Sie Ihre "meine Themen" Seite. Sie haben von 15 Schlagworten gespeichert und müssten Schlagworte entfernen.

info Mit dem Klick auf das Icon entfernen Sie das Schlagwort aus Ihren Themen.

Fügen Sie das Thema zu Ihren Themen hinzu.

0  Kommentare
0  Kommentare
Zu diesem Thema wurden noch keine Kommentare geschrieben.
Neueste zuerst Älteste zuerst Beste Bewertung
Aktuelle Meldungen