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"Durch das Internet ist das Glücksspiel unkontrollierbar geworden"

Von Claudia Riedler, 24. März 2017, 00:04 Uhr
"Durch das Internet ist das Glücksspiel unkontrollierbar geworden"
Reinhard Haller Bild: Christoph Schöch

Laut Studien sind 90 Prozent der Menschen irgendwie süchtig: nach Glücksspiel, Alkohol, Drogen, Zigaretten, Essen, Sex, Schokolade oder Internet. Psychiater Reinhard Haller über die neuen Süchte und wie man vorbeugen kann.

"Derzeit wird das Wort Sucht fast inflationär verwendet, alles ist Sucht. Man möchte glauben, Zucker ist genauso schlimm wie Alkohol. Aber da ist schon ein Unterschied", sagt Reinhard Haller, Psychiater und Chefarzt einer Klinik für Suchterkrankungen. Gestern ist sein neues Buch "Nie mehr süchtig sein" erschienen.

 

OÖN: Das Buch ist eine überarbeitete Neuauflage, vor zehn Jahren haben Sie bereits eines zum Thema Süchte geschrieben. Was hat sich seither geändert?

Haller: Die Sucht wandelt sich immer. Derzeit sind vor allem medikamentöse Substanzen wie Amphetamine, Crystal Meth im Vordergrund, aber auch Beruhigungsmittel. Außerdem werden die Verhaltenssüchte häufiger: Die Sucht nach Internet, Handy, Facebook – durch die hohe Verfügbarkeit entstehen hier neue Abhängigkeiten.

Welche Süchte sind hier zu Lande am häufigsten?

An erster Stelle stehen Verhaltenssüchte mit 3,4 Prozent, gefolgt von Alkohol mit drei Prozent, etwa zwei Prozent sind medikamentenabhängig, rund ein Prozent ist drogensüchtig.

Vor allem Jugendliche sollen betroffen sein, stimmt das?

Das ist eine hoch gefährdete Gruppe. Jugendliche wollen Depressionen vertreiben, das Gemeinschaftsgefühl ist wichtig, und sie haben den Zugang. Die eigentliche Wachstumsgruppe sind aber ältere Menschen, sie sind nicht internetsüchtig, aber abhängig von Alkohol und Medikamenten.

Macht es eigentlich einen Unterschied, ob ich Drogen konsumiere oder nicht ohne mein Smartphone sein kann?

Eigentlich nicht. Die Bevölkerung hat gelernt, mit den Substanzen zurechtzukommen. Heroin ist eine Verlierer-Droge, dagegen ist Kokain fast eine Volksdroge. Von den sehr gefährlichen Suchtmitteln ist man abgekommen. Man passt sich an die Leistungsgesellschaft an, braucht aber Suchtmittel dazu, etwa Medikamente für den Muskelaufbau, Stimmungsaufheller, Schlafmittel. Alles wird chemisch gesteuert. Um zum Beispiel das Skifahren besonders intensiv zu erleben, wird vorher eine Prise Kokain konsumiert.

Was begünstigt die Verhaltenssüchte wie etwa Internetsucht?

Man kann nach jedem Verhalten süchtig werden. Vieles ist erklärbar, weil die Verfügbarkeit sehr hoch ist. Besonders problematisch ist das bei der Spielsucht. Durch das Internet ist das Glücksspiel unkontrollierbar geworden.

Sind Sie selbst auch süchtig nach etwas?

Ja, ich zeige suchtartige Reaktionen auf Teletext. Mehrmals am Tag muss ich draufschauen, und wenn ich in einem Hotel bin, in dem es keinen Teletext gibt, habe ich Entzugserscheinungen.

Wann beginnt die Sucht?

Wenn sich alles um das Suchtmittel dreht. Wenn man ohne sein Suchtmittel Entzugserscheinungen hat, grantig und nervös wird, bis hin zu Tobsuchtsanfällen. Wenn die Freiheit verloren geht, dann beginnt die Sucht.

Wie lange muss ich "ohne" auskommen können?

Man sollte immer wieder Atempausen einlegen, also Phasen, in denen man gut verzichten kann. Wenn etwa ein Weinliebhaber zwei Tage in der Woche locker ohne Wein auskommt, ist er sicher nicht süchtig.

Wer ist besonders gefährdet?

Eine Suchtpersönlichkeit gibt es nicht, das Risiko setzt sich aus vielen Faktoren zusammen. Einerseits gibt es eine genetische Veranlagung, der Stoffwechsel ist ein Faktor, aber auch psychische Erkrankungen, ein problematisches Elternhaus und Minderwertigkeitsgefühle. Einer der höchsten Risikofaktoren – und das ist wissenschaftlich erwiesen – ist ein süchtiger Elternteil.

Ist eine Sucht heilbar?

Wenn Menschen im kritischen Stadium zur Behandlung kommen, ist die Suchterkrankung gut heilbar. Aber auch wer lange süchtig war, kann beschwerdefrei leben, indem er auf die bestimmte Substanz verzichtet. Diese Abstinenz in einer süchtigen Gesellschaft ist nicht einfach, kann aber – wenn man es schafft – die Persönlichkeit stärken.

Was können Eltern vorbeugend tun, um ihre Kinder vor Süchten zu bewahren?

Da gelten die drei Z: Zuwendung, Zärtlichkeit und Zeit. Wichtig ist auch, sehr früh mit den Kindern über das Thema zu reden.

 

Buchtipp: Reinhard Haller. Nie mehr süchtig sein. Leben in Balance. Ecowin-Verlag, 24 Euro.

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